Man hat die 1962 in Weimar geborene Schriftstellerin Sibylle Berg einmal die Hasspredigerin der Single-Generation genannt und ihr schon damals mit dieser Bezeichnung großes Unrecht getan. Sie hat in ihren früheren Büchern nichts anders getan, als immer wieder die Sinnlosigkeit des Daseins zu beschreiben, sich dagegen gewehrt mit den Mitteln der Sprache. Und wie für so viele andere bitter am Leben verzweifelte Autoren vor ihr, war ihr das Schreiben, die Literatur sozusagen der letzte Sinn-Rettungs-Acker in einer von ihr und entsprechend auch von ihren Romanprotagonisten als sinnlos und leer empfundenen Welt.
In ihrem neuen Roman Der Mann schläft ist sie etwas ruhiger geworden. Zwar ist der lesenswerte Roman immer noch voller bitterböser Bilder und sie kann es auch hier nicht lassen, immer wieder mit bissigen Nebenbemerkungen auf die Sinnlosigkeit des Daseins hinzuweisen, und dennoch spielt sie erstmals auf ihrem literarischen Klavier auch andere, teilweise sogar symphonisch klingende Melodien, manchmal sogar regelrechte Liebeslieder, voller Leidenschaft und Schwung.
Sie erzählt die Geschichte der 40-jährigen Ich - Erzählerin. Nach vielen unbefriedigenden und nicht selten auch sehr befremdenden kurzen Affären, lernt sie eines Tages den Mann kennen: Es stört mich nicht, so weit weg von zu Hause zu sein. Es gibt kein Zuhause mehr. Jeder Ort, an dem ich mich aufhalte, ist gleich. Jeder Ort, an dem der Mann nicht ist. Man spürt: diese Frau ist über beide Ohren verliebt. Attraktiv ist er nicht der Mann, 110 Kilo bringt er auf die Waage mit seinem schwammigen Körper. Er ist nicht das, was man gemeinhin als Kleinod bezeichnet . Vielleicht sind es gerade die bisher von ihr so hochgehaltenen Eigenschaften bei Männern, die diesem Mann fehlen, und ihn deshalb für sie so besonders machen. Melancholisch und eher pessimistisch bleibt Sibylle Bergs Protagonistin aber trotz der sie durchflutenden Liebe, wenn sie sich und ihren Lover beschreibt als zwei mit der gleichen Müdigkeit und dem Wunsch nicht allein zu sterben.
Als die beiden auf einer südchinesischen Insel vor Hongkong Urlaub machen, kommt der Mann nach einem Einkauf nicht zurück. Er bleibt verschwunden. Die Ich-Erzählerin sucht ihn verzweifelt, immer mehr und täglich tiefer in eine schwere Depression rutschend. Sie kann sich nicht von der Insel lösen, und verbringt ihre Tage, herumlaufend nach dem Man zu suchen.
Sibylle Berg hat den Roman in zwei Erzähl- und Zeitebenen geteilt. In der einen beschreibt sie die Gegenwart, in der anderen lässt sie die Erzählerin sich erinnern, bis im letzten Kapitel die beiden Ebenen zusammenfließen.
Ein anspruchsvolles Buch, ein Stück geradezu existenzialistischer Literatur, die sich nach wie vor weigert, irgendetwas als einen unser Leben tragenden Sinn anzuerkennen, und selbst die Liebe dafür nicht wirklich geeignet hält. Vor dem Lesen in eigenen trübsinnigen Stunden wird daher gewarnt.