Kaum ein anderes Werk bietet eine so profunde Darstellung und Analyse der griechischen Bildung mit seinen in alle Jahrhunderte wirkenden Implikationen wie dieses Werk. Im Grunde ist es unverzichtbar für jeden Pädagogen, Psychologen, Völkerkundler, Politiker und den mündigen Bürger. Gerade in einer Zeit vollständiger Nivellierung und Beliebigkeit des Kulturbegriffes und auf der Suche nach den genuinen Werten des Abendlandes (im Verhältnis zur orientalischen Welt) liefert dieses Meisterwerk souverän alles, was wir zur so nötigen Selbstbehauptung in stürmischer Zeit benötigen. So dient es neben der Wissensvermittlung auch als Vademekum in einer Epoche der Orientierungslosigkeit. Daher ist der "Jaeger" auch ein höchst politisches und aktuelles Buch; denn wir erfahren und begreifen die Wurzeln unserer eigenen Kultur. Wir begreifen auch, daß der Mensch als sich selbstbestimmendes politisches Wesen eine "Erfindung", eine Entdeckung der Griechen ist; daß der Mensch in Hellas auf eine höhere Stufe seiner "natürlichen" Entwicklung tritt.
In Hellas verläßt der Mensch die Schranken religiöser Tabus und mystischer Angst. Er findet hier den "aufrechten Gang" und tritt hinaus in die Freiheit: Alle Wissenschaften, die Ethik und die Künste, alle Formen des Polititischen treten hier erstmals in die Geschichte; ja selbst "Geschichte" als Bewußtsein der Veränderung in der Zeit erlebt ihre Geburt bei den Griechen. Das Werk gleicht einem intellektuellem Erdbeben, in dem es Licht ins Dunkel des Nichtwissens, des Halbwissens und des Meinens (griech. Doxa) bringt. Es sagt uns, woher wir kommen, wer und was wir sind, was zu bewahren ist und was wir zu verlieren drohen. Wer den Wert des "Selbstdenken" in seiner unerhörten Dimension in sich zur Blüte bringen will, muß den Jaeger einmal durcharbeiten.
Das Bewußtsein ist nach der Lektüre ein anderes, sofern man die Anlagen zur Bildung in sich trägt.