Die vierjährige Tochter einer Lehrerin wird leblos im Schwimmbecken der Schule aufgefunden. Die Polizei geht von einem Unfall aus. Es war aber Mord, das ergeben die Ermittlungen der Lehrerin. Die Täter sind Schüler ihrer Klasse. Sie schaltet die Polizei nicht ein, da sie sich dadurch keine Gerechtigkeit für ihre Tochter verspricht. Am letzten Schultag informiert die Lehrerin ihre Schüler über ihre Erkenntnisse ohne dabei Namen zu nennen. Den Schülern ist durchaus bekannt, wer die betreffenden sind.
Der Roman ist gut und verständlich geschrieben. Die Geschichte wird aus den Verschiedensten Perspektiven der Lehrerin, der Täter und deren Angehörigen erzählt. Dabei bedient sich die Autorin der verschiedensten Formen, mal des Gesprächs, mal der Gedanken und Erinnerung der Protagonisten, mal der Tagebuchaufzeichnung. In dem Roman geht es nicht nur um den Tod des kleinen Mädchens, es geht um Anerkennung, Konkurrenzkampf, Leistungsdruck, Mobbing, Schuld, Selbstjustiz und Vorurteile. Die Autorin schafft es durch den Perspektivwechsel einmal gewonnene Erkenntnisse wieder ins Wanken zu bringen.
Der Roman gibt Einblicke in das japanische Schulsystem und die japanische Leistungsgesellschaft, in der ein geradezu übermächtiger Erfolgsdruck recht bizarre Formen annehmen kann und zu Vereinsamung, Narzissmus, Aggressionen, psychischen Störungen und zerrütteten Familiengefügen führt. So wird u.a. das Phänomen des "Hikikomori" beschrieben. Dabei handelt es sich um eine Form der Sozialphobie, in dem sich die jeweiligen Personen vollkommen von der Gesellschaft zurückziehen und vollständig isolieren aus Angst, dem gesellschaftlichen Leistungs- und Erfolgsdruck nicht gewachsen zu sein. Allerdings ist dies ja nicht nur ein japanisches Problem, sondern ist in allen Leistungsgesellschaften anzutreffen.
Der nüchterne und emotionsfreie Schreibstil hat mich anfangs etwas irritiert. Der Roman ist frei von Sentimentalitäten und Pathos und lässt den Tod des Mädchens in den Hintergrund treten. Im Fokus steht die eiskalte bis brutale Rache der Lehrerin und die Auswirkungen auf die Betroffenen und deren Umfeld. Ein Roman der einen langen Nachklang in mir hervorgerufen hat.