Das Cover
Ein Cover, das mich sofort und intensiv angesprochen hat. Die abgebildete junge Frau im 19. Jahrhundert, zieht mit ihrem Ausdruck den Blick auf sich, und Berlin im Hintergrund der damaligen Zeit, sorgt für den richtigen Rahmen. Der Titel und der Klappentext fügen sich harmonisch ein. Eine stimmige und beeindruckende Buchpräsentation.
Die Geschichte (Spoiler!)
Eine familiäre Tragödie auf dem Anwesen sorgt dafür, dass der Graf seine Tochter Henriette bittet, sich um Ricarda das Mädchen des Gärtners zu kümmern, die rechtzeitig zur Stelle war, um Antonia seine Enkelin zu retten, während ihre Schwester dabei zu Tode kam.
Sie nimmt das aufgeweckte Mädchen mit nach Berlin und schickt sie auf eine gute Schule. Ricarda tut sich anfänglich schwer, sich als armes Mädchen in einer völlig anderen Gesellschaft zurechtzufinden. Alles war nicht einfach und bedarf großer Anstrengungen.
Auch der Umzug vom ruhigen eher beschaulichen Brandenburger Land in die pulsierende Stadt Berlin beansprucht eine längere Eingewöhnung. Der in Berlin viel deutlicher sichtbare Unterschied zwischen Arm und Reich schockt sie sehr. Die erbärmlichen Lebensbedingungen der Bevölkerung treiben sie immer mehr an, helfen zu wollen.
Da aber Komtess Henriette als eine der ersten Ärztinnen eine Praxis führt, gewinnt sie Einblicke in eine Welt, die sie sich nicht vorstellen konnte. Ihr neues Leben führt sie über viele Wege und Stolpersteine, die es gilt, selbst nachzulesen, um nicht zu viel zu Spoilern.
Meine Meinung
Dieses Buch gehört zu den Büchern in 2018, die ich als besonders lesenswert einstufen möchte. Von der ersten Seite an beginnt das Lesevergnügen, das die Leser auf eine lange Zeitreise ins Kaiserreich und nach Berlin mitnimmt.
Die bedeutenden gesellschaftlichen Zwänge, die unglaublichen Gegensätze zwischen Arm und Reich, die Welt der Medizin, die zu dieser Zeit in ihren Anfängen steckt und die unterversorgte Bevölkerung, sind ein emotionaler Stoff, der mich auf diese Reise mitgenommen hat.
Im Mittelpunkt steht die 13-jährige Gärtnertochter Ricarda, die als Mündel der Komtesse Henriette von Freystetten in die Großstadt Berlin darf und fortan um ihre Zukunft kämpft und sich gleichzeitig für arme Menschen einsetzt. Wir begleiten sie, auf ihrem Lebensweg von der überzeugenden Helferin, bis zum Ziel eine Ärztin in dieser schwierigen Zeit werden zu wollen. Sie ist ein Mädchen und später eine junge Frau, die man ins Herz schließen und bewundern muss.
Alle Protagonisten sind ihren Charakteren entsprechend glaubwürdig. Die Historie und Zeitgeschichte wurde mit sehr viel Feingefühl in die Erzählung eingearbeitet. Das Autoren-Team schreibt in einer leicht verständlichen und lebhaften Sprache, die ein flüssiges Lesen garantiert. Die Schauplätze sind präzise und lebendig geschildert, sodass ich mich sehr gut in die Straßen, Plätze und Wege hineinbegeben konnte.
Die Geschichte wird über weite Strecken aus der Perspektive von Ricarda erzählt. Die Wechsel zu den Perspektiven der anderen Protagonisten unterstützen den Spannungsbogen, der durch das ganze Buch hindurch hochgehalten wird. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich etwas zu weit außerhalb stand, um in die Geschichte hineinzuschauen. Das blockt meines Erachtens immer etwas die Emotion und Nähe zu den Figuren. Dieses Empfinden kommt aber natürlich auch durch die Sprache der damaligen Zeit zustande, die von den Autoren sehr gut eingesetzt wurde und wie wir wissen, hielten die Menschen in dieser Zeit selbst in engen Beziehungen einen erkennbaren sprachlichen und körperlichen Abstand. Es ist auch nur mein persönliches Empfinden und schmälert auf keinen Fall die Lesefreude.
Ich habe insgesamt ein Buch gelesen, das ein Füllhorn an Spannung und Zeitgeschichte ausbreitet. Ein Buch, welches die damaligen fast nicht vorhandenen Rechte der Frau vor Augen führt und intensiv schildert. Eine Geschichte, die beschreibt, wie schwierig das Leben in dieser Zeit war und wie die medizinischen Gegebenheiten das Leben und den Tod im Griff hatten. Ein wunderbares Buch, das mich sehr beeindruckt hat und auch große Vorfreude auf den zweiten Band auslöst.
Das Buch erhält von mir eine Leseempfehlung.
Friedericke von "Friederickes Bücherblog"