Stefan Sprang, Journalist und Schriftsteller hat mit dieser Romanbiografie über den - immer noch sehr bekannten und geliebten - Startenor Joseph Schmidt ein Meisterwerk vorgelegt.
Das Buch ist in verschiedene Teile gegliedert. Zunächst erfahren wir von einer dramatischen Nacht-und-Nebel-Flucht 1942 in die Schweiz - sehr gut ist das geschrieben, die Unruhe, Angst, Erschöpfung des einstmaligen Stars werden ganz deutlich und berühren sehr. Dieser dritte Fluchtversuch klappt endlich und Schmidt wähnt sich in der neutralen Schweiz in Freiheit und Sicherheit.
Doch wie konnte der große Star überhaupt in solche Bedrängnis kommen? Im zweiten Teil geht es um Aufstieg und Niedergang des Sängers. Aufgewachsen ist er in Czernowitz/Bukowina. Die Eltern, strenggläubige Juden, sind zunächst nicht begeistert von Josephs Gesangsambitionen. ¿. Mein Vater nannte alles, was ich sang, nur ein Gegröle. Ich durfte ihn durch Gesang nicht stören. Doch Joseph setzt sich durch und geht zum Gesangsstudium nach Berlin. Er weiß, wer Berlin hat, hat die Welt. Und genauso kommt es auch, das Publikum feiert ihn, doch die glorreichen Jahre finden durch die Nazidiktatur ein jähes Ende. Der Sänger, berühmt bis nach Amerika, ist zugleich jüdisches Ungeziefer, das zertreten gehört , heißt es nun. Es folgen Jahre von rastlosen Aufenthalten in Wien, Budapest, Südfrankreich, auch eine Amerika-Tournee wird 1937 durchgeführt.
Doch will er dort nicht bleiben und auch ein Visum zur Ausreise nach Bolivien lässt er verfallen. Er kann das alten Europa, Czernowitz und seine Mamitschka nicht aufgeben. Sprangs Sprache und Stil sind hier melancholisch, ja poetisch - in traumähnlichen Sequenzen lässt er den Sänger die Kinderjahre in der Familie, die alte Heimat und seine nun verzweifelte Situation als Jude in Europa resümieren. Joseph ist ein gläubiger Mensch, Gott wird ihn retten, wird ihm den Weg weisen. Die eindringliche Ernsthaftigkeit dieser Gedanken und Schmidts Bekenntnis zum jüdischen Glauben, werden vom Autor außerordentlich gut beschrieben. Und auch den Zwiespalt - hier die verklärte Reminiszenz an die Heimat, dort sein fatales Verharren und unheilvolle Zukunftsahnung - arbeitet Sprang ganz exzellent heraus. Nun lässt er Schmidt erkennen: Ein Blatt, das im Wind herumwehte, würde eher auf einen Zweig zurückfinden, als dass er aus Europa herauskäme . Seine Hoffnungen auf ein sicheres Leben in der Schweiz werden sich nicht mehr erfüllen.
Das Buch hat mich von Anfang an begeistert und ich habe mich regelrecht darin verloren. Ich wünsche diesem Buch eine große Leserschaft - egal, ob Josephs Schmidts Geschichte schon bekannt ist oder nicht: Dieses Buch hat hohe literarische Qualität und großer Lesegenuss ist garantiert. Der Autor Stefan Sprang ist für mich eine glückliche Entdeckung und ich hoffe sehr auf weitere Buchveröffentlichungen!