Da ich ein großer Fan der Kriminalromane von Agatha Christie, Josephine Tey und Dorothy L. Sayers bin und auch Gladys Mitchell immer wieder zu diesem Kreis gerechnet wird, war ich neugierig auf Das Geheimnis der weißen Weihnacht. Für mich war es der erste Roman der Autorin.
Hauptfigur ist die Psychiaterin Mrs Bradley, die wohl in mehreren von Mitchells Romanen ermittelt. Sie verbringt die Weihnachtstage bei ihrem Neffen und dessen Frau in den Cotswolds, wo die beiden seit kurzem ein Gut besitzen. Über die Feiertage werden einige Gäste erwartet. Es kommt zu merkwürdigen Vorfällen, anonyme Briefe tauchen auf, und nach einem heftigen Wintereinbruch gibt es einen Toten. Mrs Bradleys Neugier ist geweckt und sie beginnt, eigene Hypothesen aufzustellen und zu ermitteln.
So vielversprechend die Ausgangslage klingt, wurde ich mit diesem Krimi leider nicht warm. Die Figuren blieben blass und wenig greifbar, die Handlung drehte sich immer wieder im Kreis und wurde zusehends langatmiger, so dass es für mich eine eher zähe Lektüre war und die Spannung auf der Strecke blieb. Die ausgedehnten Beschreibungen von Landschaft, Spaziergängen und einer Treibjagd machten es nicht besser. Auch sprachlich konnte mich Mitchell nicht überzeugen, da sich einige Phrasen immer wieder wiederholen. Von der Leichtigkeit und dem feinen Humor einer Christie oder Sayers ist auch nichts zu spüren.
Ärgerlich fand ich, dass man als Leser:in über den genauen Wortlaut der anonymen Briefe im Dunkeln gelassen wird und so weniger Wissen hat als die Figuren im Buch. Man erfährt lediglich in vagen Andeutungen, worum es geht. Für mein Empfinden sind die Theorien, die Mrs Bradley im Buch verfolgt, teils recht abwegig und auch logisch widersprüchlich. Da der Roman um das Jahr 1950 spielen dürfte (definitiv nach dem Zweiten Weltkrieg), fragte ich mich auch, ob es damals in Bezug auf Gerichtsbarkeit, polizeiliche Ermittlungen, Testamentsvollstreckung und gewisse Rechtsgeschäfte tatsächlich in England so stümperhaft zuging, dass diese Theorien überhaupt eine realistische Grundlage gehabt haben könnten.
Konzeptionell kann Mitchell für mich nicht mit Christie und Sayers mithalten. Mir fehlen ein klarer roter Faden, Rafinesse und eine stringente Handlung. Auch nach Beendigung des Buches konnte mich der Fall in der Rückschau nicht überzeugen.