Der Roman spielt im Jahr 1899. Der Transsibirien-Express nimmt nach mehrmonatiger Pause seine Fahrt von Peking nach Moskau wieder auf. Dabei muss der Zug das kaum erforschte und gefährliche Ödland durchqueren, eine unbesiedelte Landschaft zwischen China und Russland. Die Reise steht unter besonderer Spannung, denn auf der vorherigen Fahrt ist etwas passiert, worüber Crew und Betreiber des Zuges beharrlich schweigen.
Die Autorin hat einen ganz eigenen Erzählstil. Das Buch lässt sich gut lesen, aber es ist keine Geschichte "für zwischendurch". Vor allem das Schaffen einer Atmosphäre ist der Autorin sehr gut gelungen. Von Anfang an ist Spannung vorhanden, mal geheimnisvoll, mal bedrohlich, mal poetisch. Da die Handlung des Romans hauptsächlich im Zug spielt, trägt dieses kammerspielartige Setting zusätzlich zur allgegenwärtigen Spannung bei. Denn die mysteriösen Ereignisse der letzten Fahrt lasten schwer auf der Zugbesatzung und den Passagieren.
Zu Beginn werden zahlreiche Charaktere - Besatzung und Reisende - eingeführt. Hier wäre ein Personenregister hilfreich gewesen. Da sich die Handlung im weiteren Verlauf aber auf wenige Figuren konzentriert, bin ich auch ohne gut zurechtgekommen. Die Figuren waren interessant und nachvollziehbar charakterisiert und ich fand es toll, wie sich ihre individuellen Geschichten immer mehr miteinander, mit dem Zug und dem Ödland verknüpften.
Überhaupt ist das Ödland mit seiner wilden und unwirtlichen Landschaft fantastisch beschrieben! Geschickt hat die Autorin hier mit meiner Erwartungshaltung gespielt. Zu Beginn fragte ich mich, ob das, was über das Ödland erzählt wird, der Wahrheit entspricht oder ins Reich der Mythen gehört. Diese Frage wird im Laufe der Handlung beantwortet und auch hier änderte sich meine Wahrnehmung immer wieder. Es war surreal, beängstigend und wunderschön.
Mir hat gefallen, wie die Geschichte aufgebaut war. Es gibt insgesamt sieben Teile, in denen jeweils zwei bis drei Tage der Reise erzählt werden. In den letzten beiden Teilen überschlagen sich die Ereignisse und hier ging es mir fast ein bisschen zu schnell, da es kaum Momente zum Durchatmen gab. Wobei ich das Ende des Romans wirklich fantastisch (im wahrsten Sinne des Wortes) fand.
Ein paar Worte noch zur Ausstattung des Buches: Nicht nur das Cover mit seiner Farbgebung und der Goldfolierung fand ich sehr schön gestaltet. Auch der Vor- und Nachsatz, in dem die Wagenreihung des Zuges abgebildet ist, hat mir gut gefallen. Ich habe ihn oft aufgeklappt, um nachzuschauen, an welcher Stelle des Zuges ich mich beim Lesen gerade befinde.
Fazit. Insgesamt ist 'Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland' für mich ein Roman, der Genregrenzen sprengt und sich nirgendwo eindeutig einordnen lässt. Es ist eine historische Geschichte, eine Abenteuergeschichte, eine Gruselgeschichte, eine Fantasygeschichte, die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft und auch eine zarte Liebesgeschichte. Gerade das hat den Roman für mich zu etwas ganz Besonderem gemacht.