Lucy Fricke versteht es, mit wenigen Worten viel zu sagen. "Das Fest" erzählt von einem einzigen Tag im Leben des alternden Regisseurs Jakob seinem fünfzigsten Geburtstag und entfaltet dabei ein ganzes Leben im Rückblick, zwischen Melancholie und überraschender Leichtigkeit. Lucy Fricke, geboren 1974 in Hamburg, ist längst keine Unbekannte mehr in der deutschen Literaturszene. Mit Romanen wie "Töchter" oder "Die Diplomatin" hat sie sich einen Namen gemacht. Die Autorin lebt in Berlin, engagiert sich für junge Literatur und Musik und organisiert unter anderem das HAM.LIT-Festival.
Worum gehts genau?
Jakob, einst gefeierter Filmregisseur, lebt zurückgezogen, müde vom Leben, enttäuscht vom Beruf, einsam im Herzen. Seine Karriere ist längst vorbei, die letzte Beziehung zehn Jahre her. Am Morgen seines 50. Geburtstags verkündet er nüchtern: Es gibt nichts zu feiern. Doch seine Freundin Ellen sieht das anders sie lockt ihn aus seiner Lethargie, schickt ihn auf eine Reise in seine Vergangenheit und durch die Fragmente seines Lebens. In Rückblenden, Begegnungen, Erinnerungen und kleinen Fluchten entspinnt sich ein Porträt eines Mannes, der sich selbst neu betrachten muss und vielleicht auch verzeihen.
Meine Meinung
Ich bin über die Dumont Bücherbingo-Challenge auf "Das Fest" aufmerksam gemacht worden gesucht war ein Buch, das an einem einzigen Tag spielt. Und als ich das wunderschöne Cover gesehen habe (Kampa Verlag, was sonst!), war ich endgültig neugierig. Das Buch habe ich als Hörbuch gehört ein kurzes Vergnügen, keine drei Stunden, aber dafür intensiv. Und ehrlich gesagt: Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet. Ich habe den Klappentext nicht gelesen, wollte mich einfach einlassen.
Am Anfang habe ich mir etwas schwergetan. Es passiert nicht viel keine große Handlung, keine lauten Wendungen. Wir begleiten Jakob an seinem 50. Geburtstag, ein Tag, der symbolisch für das letzte Lebensdrittel steht. Und doch verbirgt sich in dieser scheinbaren Ruhe so viel: Abschiede, Erinnerungen, Spurensuche, Identität, das Thema Altern, verpasste Chancen, späte Einsichten, späte Liebe. Es geht um Freundschaft, um das Ankommen, das Zuhause und um all das, was nicht gesagt wurde.
Fricke erzählt das mit klarem Blick, aber großer Wärme. Einige Sätze bleiben haften, wie kleine Wahrheiten mitten im Alltag. So viel Kindheit im Mund. So viel Kindheit auf leeren Magen. Solche Bilder zeigen, wie poetisch dieses dünne Buch auch ist.
Und doch trotz der gelungenen Sprache und der feinen Beobachtungen blieb bei mir ein Gefühl der Leerstelle zurück. Gerade, als ich dachte, jetzt bin ich in der Geschichte angekommen, war sie auch schon vorbei. Ich hatte das Gefühl, das Buch will kein großes Ausrufezeichen setzen. Vielleicht ist das Absicht das Leben ist eben nicht immer laut. Aber in mir blieb der Wunsch nach mehr. Denn das Potenzial ist da: Jakob, der sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt, Ellen, die eine so wichtige Rolle spielt das hätte weiter erzählt werden können.
Trotzdem war "Das Fest" genau richtig für einen ruhigen Nachmittag. Es war kein literarischer Paukenschlag, aber ein kluges, leises Buch über das Älterwerden, das Vergehen der Zeit und die Kraft der Freundschaft.
Fazit
Ein feinfühliger, ruhiger Roman, der nicht laut sein will und gerade dadurch berührt. Lucy Fricke lässt Raum für Gedanken und Erinnerungen. Nicht spektakulär, aber ehrlich, melancholisch und mit kleinen Momenten, die hängen bleiben. Von mir gibt es 4 von 5 Sternen.