Johanna ist Mitte vierzig und es trifft sie, dass sie nicht mehr gesehen wird. Grundsätzlich ist sie glücklich mit ihrem Leben - ihr Blumenladen floriert, seit sie die exzentrische und kreative Ruby eingestellt hat, ihre Ehe mit Hendrik läuft gut, ihre Tochter pubertiert altersgemäß. Nur der Tod ihres Vaters, der ihr einen kleinen Garten hinterlassen hat, macht ihr zu schaffen. Und: die tiefe Sorgenfalte auf ihrer Stirn. Als sie sich diese wegmachen lässt und es keiner bemerkt, gerät ihre Gedankenwelt ins Wanken...
Was für ein schöner Roman Eva Lohmann hier gelungen ist! Er ist ruhig und aufwühlend zu gleich, er regt enorm zur Selbstreflexion an, besonders, wenn man in einem ähnlichen Alter wie die Protagonistin ist. Durch die Hauptfigur, die sich auf die Selbstreflexion einlässt, erhalten auch die anderen Charaktere ihre Haltung, ihren Zeitgeist. Die Geschichte selbst ist alltäglich, sie behandelt unterschiedliche Beziehungen, beleuchtet wie das Miteinander funktioniert und wie auch das Getrennt-sein etwas heilbares hat. Die Emotionen Johannas sind so nachvollziehbar, ohne je ins kitschige zu geraden. Die Autorin schreibt mit Liebe zum Detail und schafft es, wunderbare Bilder in den Kopf zu zaubern.
"Wie du mich ansiehst" ist ein wunderbares, reflektiertes Buch über das Älterwerden, über das Tochter- und das Mutter-Sein, über Makel im Äußeren, im Inneren und in Beziehungen, über die Herausforderungen des Miteinanders. Vor allem aber geht es um das Sehen und Gesehen-werden und hinterlässt ein irrsinnig wohliges Gefühl im Brustkorb, weshalb ich ein Lesen dieses Kleinods nur jedem ans Herz legen kann.