Der Prolog gestaltet sich rasant und gnadenlos, sodass ich sofort in die Geschichte eintauchen kann. Nach diesem aufregenden Einstieg ebbt das Tempo etwas ab, als Art und Nele einen neuen Fall bekommen.
Art Mayer und Nele Tschaikowski sind mir bereits seit Der Morgen bekannt und ich finde, sie haben sich seit dem ersten Teil definitiv weiterentwickelt. Die Dämmerung setzt mehrere Monate nach den Ereignissen von Band 1 ein und Art, dessen Privatleben turbulent bleibt, trägt genau wie Nele die Last der vergangenen Geschehnisse mit sich. In Die Dämmerung agiert Nele diesmal etwas ruhiger, sie steht nicht mehr ganz so im Rampenlicht wie im ersten Teil. Dennoch trägt sie zur Spannung und Ermittlungsarbeit entscheidend bei.
Nele und Art sind ein tolles Duo geworden und mir macht es Freude, ihre Ermittlungen zu begleiten und selber Schlüsse zu ziehen.
Ein zentrales Element der Handlung ist Leo, die Tochter des Opfers. Sie gönnt Art und Nele keine Atempause und zeigt durch ihre unberechenbaren sowie teilweise emotional gesteuerten Handlungen viele Facetten ihres faszinierenden Charakters. Immer schwebt die Frage über Leo, ob sie die Mörderin ihrer eigenen Mutter ist oder nicht.
Die Dämmerung hat zwei Haupterzählstränge. Der Erste ist gefüllt mit realen Geschehnissen, welche gezeichnet sind von Anspielungen auf unsere gegenwärtigen gesellschaftlichen Themen wie Klimakleber oder einen Kanzler in der Kritik. Sie fügen sich nahtlos in die Handlung ein und durch ihre Verwendung wirkt Die Dämmerung unglaublich realistisch.
Bei dieser Erzählebene gibt es mehrere Perspektiven, sodass meine Übersicht über die Ereignisse umfassender ist.
Der zweite Strang wird als Tonbandaufnahme dargestellt und bietet mir Rückblicke in die Vergangenheit, in denen die Figuren Belle und Bo eine Rolle spielen. Hier fungiert Belle als Ich-Erzählerin. Sie macht es mir nicht leicht, sie zu mögen. Ich schwanke in meinen Emotionen für sie. Einerseits empfinde ich Mitleid mit ihr und bewundere ihr Durchhaltevermögen, andererseits geht mir ihr Verhalten manchmal gehörig auf die Nerven. Allerdings sind manche ihrer Handlungen und Äußerungen auch ihrem jungen Alter geschuldet, sodass ich Nachsicht walten lasse. Hier ist meine Übersicht über die Ereignisse zwar eingeschränkt, regt mich aber stark zum Spekulieren an. Dieser Strang lebt von den dargestellten Emotionen und diese reißen mich förmlich mit.
Der Schreibstil von Marc Raabe erzeugt ein hohes Erzähltempo, sodass Die Dämmerung rasant und unvorhersehbar zu lesen ist. Die Dialoge wissen mich zu überzeugen, sie sind lebensecht. Durch die geschickt gesetzten Perspektiv- und Erzählstrangwechsel ergeben sich eine Menge Cliffhanger, sodass der Thriller schwer aus der Hand zu legen ist.
Die Spannung wird nicht nur durch die außergewöhnlich inszenierten Morde erzeugt, sondern auch aus den persönlichen Umständen im Leben der Protagonisten. Denn dort wimmelt es voller tragischer Entscheidungen, Lügen und schweren Geheimnissen. Manchmal driftet Marc Raabe leicht ins Unglaubwürdige ab, was ich jedoch als unterhaltsam empfinde. Es verleiht der Geschichte eine zusätzliche Dynamik und macht sie actionreich.
Gegen Ende wird deutlich, wie eng verwoben das Leben der wiederkehrenden Charaktere ist und welche Ereignisse ihre Leben überschatten. Ich schätze es, dass Fäden aus dem ersten Teil weitergesponnen werden und die beiden Teile wie Puzzlestücke zusammenpassen.
Die Auflösung am Schluss hat mich überrascht und offenbarte ein Motiv, das ich so nicht erwartet hätte.
Fazit:
Die Dämmerung ist ein fesselnder Thriller, der mich von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann zieht. Mit einer gelungenen Mischung aus Action, emotionalen Momenten und aktuellen Themen bietet Marc Raabe ein Lesevergnügen, das sowohl Fans des ersten Teils als auch neue Leser begeistern wird. Ich kann es kaum erwarten, zu erfahren, wie es mit Art und Nele weitergeht.