(C. N.: Chronische Krankheit)
INHALT:
Ihr Mann Miro ist seit mehreren Jahren chronisch krank. Was er genau hat, weiß niemand.
Mit einer Grippe hat es angefangen und seitdem plagen ihn zahlreiche Beschwerden, darunter Fieber, Taubheitsgefühle, Schwindel, Schmerzen, brennende Fußsohlen, Müdigkeit, rote und schmerzende Linien auf der Haut, Sirenen in den Ohren und Blitze in den Augen.
Die Symptome kommen und gehen, passen aber nicht zusammen.
"(...) es gibt viele Diagnosen, jeder Arzt hat eine andere im Angebot. Sie sind sehr zufrieden mit sich, wenn sie diese Diagnosen aussprechen und für einen kurzen Moment sind auch wir es. Man hat Menschen in die Wildnis geschickt, um ihr Verhalten zu untersuchen. Die eine Gruppe schickte man mit falscher Karte in die Wildnis, die andere ohne. Die erste Gruppe war glücklicher."
Die namenlose Erzählerin schreibt an einer Arbeit über das Moor. In ihrem Forschungstagebuch zur Kulturgeschichte des Moores, hält sie alles fest, was ihr im Alltag durch den Kopf geht, egal, ob auf das Moor bezogen, oder privat.
Sie findet Parallelen und Verbindungen zum Leben mit chronischer Krankheit.
"Lange Zeit verstand man die Funktion des Moores nicht. Noch schlimmer, es schien keine Funktion zu haben, man hielt es für einen Baufehler der Natur. Das ärgerte die Menschen, weil es ihnen sinnlos erschien und Angst machte."
Als Angehörige an der Seite ihres Mannes, erlebt sie, wie unplanbar der Alltag mit dem kranken Miro sein kann, dass sie immer wieder gemeinsame Verabredungen absagen müssen, was von anderen nicht selten als Ausrede angesehen wird und wie frustrierend Arzttermine sein können, wenn einem die Beschwerden nicht geglaubt oder wenn sie verharmlost werden.
Aber auch, wie sie gemeinsam auf ihre Weise, das Leben meistern und im Moment leben, so ungewiss die Zukunft auch sein mag ...
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MEINUNG:
Selten lese ich Romane über chronische körperliche Erkrankungen. Wenn man selbst davon betroffen ist und rund um die Uhr damit zu tun hat, kann einem die Thematik schnell zu viel werden.
Nach diesem Buch habe ich aufgrund der Autorin, dennoch gegriffen.
Obwohl das Lesen von "Blanca" bereits acht Jahre her ist, erinnere ich mich daran, dass mir der Schreibstil, die Road-Trip-Atmosphäre und die junge Protagonistin sehr gut gefallen haben, weshalb ich gespannt auf das neue Werk von Mercedes Lauenstein war.
Erneut konnte sie mich von der ersten Seite an mit ihrem wunderschönen Schreibstil verzaubern. Ich mag ihre in Fantasie getränkten Sätze, die feine Beobachtungsgabe, ihre kreative Vorstellungskraft und das Zarte, Harmonische in den Zeilen.
Die sprachliche Schönheit steht ein wenig im Kontrast zu Miros Krankheit und den Sorgen der Erzählerin.
Durch meine persönliche Verbindung zum Thema, habe ich die Schwere darin sehr gespürt, die chronische Krankheit mit sich bringen kann - vieles kam mir bekannt vor. Andere Lesende könnten die Stimmung daher möglicherweise als ausgeglichener und weniger melancholisch empfinden, als es bei mir der Fall war.
Während ich bei Romanen meistens einen starken roten Faden bevorzuge, hat mir hier die fragmentarische Erzählweise dennoch zugesagt. Sie wirkt authentisch, da die Erzählerin überwiegend Momentaufnahmen und (zum Teil sehr) tiefgründige Gedankengänge in ihrem Journal zu Papier bringt und diese mit uns teilt.
Lediglich der Schwung zum Weiterlesen hat mir dadurch manchmal etwas gefehlt.
Für mich persönlich war es keine Lektüre, die ich in einem Zug inhaliert habe. Viele Abschnitte habe ich mehrmals gelesen und auf mich wirken lassen, da die wunderschönen Zeilen zum Verweilen einladen und Nachklingen. Wer gerne Zitate sammelt, ist mit diesem Buch bestens bedient!
Zudem habe ich inhaltlich hin und wieder doch eine Pause benötigt.
Die Gefühls- und Gedankenwelt von der Erzählerin fand ich nachvollziehbar dargestellt. Sie hat das Gefühl, nichts tun zu können, fühlt sich hilflos, weiß nicht, welche Hoffnungen sie sich machen und wie sie ihr Leben ausrichten soll.
"Es lebte jemand Drittes in unserer Beziehung (...)."
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FAZIT: Eine sehr persönlich wirkende Lektüre mit fragmentarischer Erzählweise, welche die Gedanken, Gefühle und Momentaufnahmen der Erzählerin aufgreift, deren Mann chronisch erkrankt ist.
Mercedes Lauensteins Schreiben besticht dabei durch sprachliche Schönheit, feine Beobachtungsgabe, tiefgreifende Gedankengänge und spannende Vergleiche im Alltag.
Ein Buch, für das ich mir Zeit lassen musste, das thematisch für mich nicht einfach, aber lesenswert war.
4-4,5/5 Sterne!