Worum gehts?
Rudolf Lindt weiß nicht so recht, wohin mit sich und seinem Leben. Der Tod seiner Schwester Fanny lässt ihn zu seinem Onkel Charles in die Schweiz fliehen in eine Welt aus Schokolade, Handwerk und ehrgeizigen Träumen. In der Fabrik seines Onkels erwacht in ihm die Vision einer Schokolade, wie sie noch niemand zuvor gekostet hat: zarter, cremiger, vollkommener.
Meine Meinung:
In Lindt & Sprüngli Zwei Rivalen, ein Traum entführt Lisa Graf uns erneut in die köstlich duftende, hitzig brodelnde Welt der Schokoladenpioniere. Nach dem Fokus auf die Sprünglis im ersten Band stehen diesmal die Lindts im Mittelpunkt, allen voran Rudolf, der sich bald Rodolphe nennt und mit seiner Leidenschaft, seinem Eigensinn und seinem Gespür für Genuss die Geschichte der Schokoladenherstellung revolutioniert.
Frau Graf gelingt erneut diese magische Mischung aus Historie und Emotion, aus Fakt und Fiktion, die ihre Romane so unverwechselbar macht. Man schmeckt den Kakao, riecht das Feuer der Röstöfen und spürt, wie sich Leidenschaft und Ehrgeiz zu einer Melange verbinden, die einfach süchtig macht. Besonders bezaubernd fand ich Binia aus der Matte ein quirliges, starkes Mädchen, das sich ins Herz schleicht und dort bleibt. Und auch Nebenfiguren wie Dr. Studer oder der ganz eigene Köbi und sein Neffe Bean bereichern die Geschichte mit Witz und Menschlichkeit.
Was mich dabei besonders beeindruckt hat, ist, wie Lisa Graf es schafft, die industrielle Umbruchzeit mit so viel Leben zu füllen. Sie zeigt nicht nur, wie aus bitterem Kakao ein süßer Traum wird, sondern auch, wie sehr diese Epoche von sozialen Gegensätzen, von Mut und Aufbruch geprägt war. Zwischen der einfachen Matte und der wohlhabenden Oberstadt, zwischen Erfindergeist und Existenzangst entsteht ein kraftvolles Panorama, das nie trocken wirkt, sondern glüht vor Energie.
Faszinierend ist, wie geschickt Lisa Graf den technischen Teil die Erfindung der Conche und die Entwicklung der Schokoladenherstellung mit den persönlichen Kämpfen ihrer Figuren verbindet. Als Leserin mit juristischem Hintergrund hat mich zudem der Einblick in das damals noch wilde, ungeordnete und teils nicht bestehende Patentrecht begeistert. Wie schützt man eine bahnbrechende Idee in einer Zeit ohne klaren Schutzmechanismus? Raffiniert verwebt die Autorin auch hier historische Realität mit einer Andeutung von Intrige und Industriespionage und macht schon jetzt Lust auf den nächsten Band.
Dieses Buch ist ein Genuss von der ersten bis zur letzten Seite intensiv, lebendig und voller Wärme. Man taucht ein in die Zeit, hört das Rühren, das Klingen der Maschinen, das Murmeln der Arbeiter in der Matte und merkt irgendwann, dass man unwillkürlich zur Schokolade greift.
Fazit:
Lindt & Sprüngli Zwei Rivalen, ein Traum von Lisa Graf ist ein historischer Roman so samtig und verführerisch wie eine frisch conchierte Tafel. Spannend, sinnlich und herzerwärmend.
5 Sterne und bitte ein Stück Schokolade dazu!