Charlotte tritt ihre erste Arbeitsstelle an. Sie ist Assistentin des Geschäftsführers in einem Verlag. Zu Beginn erhält sie ein dickes Manuael, in das sie sich einarbeiten soll. Hierin steht alles Wichtige, was sie als rechte Hand des Chefs beachten und können muss. Schnell wird klar, dass die Zusammenarbeit mit dem Verleger nicht einfach ist und Charlotte bekommt einen Eindruck davon, warum die Stelle oft neu besetzt werden muss.
Die Symbiose, von Chef und Assistentin, die Caroline Wahl in ihrem neuen Buch Die Assistentin beschreibt, kennen wahrscheinlich viele Arbeitnehmende aus ihrem Berufsalltag. Der Chef schwankt zwischen strenges Elternteil bzw. Lehrer und Vertrautem, ja fast Freund. Mir ist diese Kombination aus Zuckerbrot und Peitsche regelmäßig begegnet. Dabei war es egal, ob die vorgesetzte Person männlich oder weiblich war. Es war stets ein Spiel aus Macht und Verbündung. Heute kann man frei sagen, dass dieses Verhältnis toxisch ist und die zuarbeitende Person oft kaputt macht.
Gestört hat mich an diesem Roman, dass ich das Beschriebene meistens als sehr oberflächlich empfunden habe. Wir sind nicht tief eingedrungen in die Persönlichkeiten, mit denen wir es zu tun haben. Auch die Dynamik bleibt an der Oberfläche und wird nicht ausreichend beleuchtet. Eine Analyse, warum der Verleger sich so verhalten hat und warum Charlotte zwischen Stolz und Verzweiflung hin und her schwankt, hätte ich gut gefunden. So ist es mehr eine Schau von oben auf das Bild.
Der Erzählstil der Autorin ist außergewöhnlich und eigen. Das hat mir bis zu einem gewissen Grad sehr gut gefallen. So wendet die Erzählerin sich im Buch immer wieder direkt an die Lesenden. Sie nimmt Ereignisse vorweg oder stellt Vermutungen darüber an, was die lesende Person gerade über die Geschichte denkt. Das lockert das Geschehen auf. Irgendwann habe ich diese Art des Erzählens jedoch als überreizt empfunden, da dieses Stilmittel zu oft gebraucht wird. Gegen Ende habe ich also die Augen verdreht oder habe mich gefragt, warum Caroline Wahl mir jetzt die Freude und Spannung nimmt, indem sie schon wieder vorausgreifend Kommendes benennt.
Auf das Buch war ich sehr neugierig, weil die Autorin in der Literaturszene gerade sehr gefeiert wird und ich noch kein Buch von ihr gelesen habe. Jetzt kann ich sagen: Ja, die Autorin schreibt anders und das ist gut und interessant. Aber sie ist für mich nicht DIE Entdeckung, wie es mir in den letzten Monaten verkauft wurde. Dafür fehlen mir Tiefe, Emotionen und eine Handlung, die weniger banal ist oder bei der die Autorin zumindest deutlicher den Finger in die Wunde legt.