Wer an Erzherzogin Sophie (1805-1872) denkt, hat unwillkürlich ihre Darstellung als Schwiegermutter durch Vilma Degischer als Kontrapunkt zur blutjungen Romy Schneider in der Ernst-Marischka-Trilogie rund um Kaiserin Sissi vor Augen, wie der Prolog dieses historischen Romans auch andeutet.
Wie man heute weiß, ist der Mythos um die böse Schwiegermutter im Nachhinein handgestrickt, auch wenn sich die reale Sophie bewusst war, eine schlechte Nachrede zu bekommen. Nun wie war sie wirklich?
Michaela Baumgartner beleuchtet in ihrem historischen Roman rund um Erzherzogin Sophie, die als Tochter des von Napoleons Gnaden zum König von Bayern avancierten Maximilian I. geboren worden ist, eine andere Seite dieser ehrgeizigen Frau. Geschickt verquickt sie dabei Fakten und Fiktion.
Fakt ist, dass sie nach zahlreichen Fehlgeburten (insgesamt war sie elf Mal schwanger) und Kuraufenthalten in Bad Ischl erst sechs Jahre nach ihrer Hochzeit, also im Jahr 1830, ihr erstes überlebendes Kind zur Welt bringt: Franz Joseph (1830-1916). Der wird, da längst klar ist, dass nach dem Tod ihres Schwiegervaters Franz II./I. (1768-1835) auf Grund der herrschenden Primogenitur, dessen Sohn als Ferdinand I. (1793-1875) als Nachfolger feststeht, obwohl er wegen seiner zahlreichen Einschränkungen wie z.B. Epilepsie eigentlich nicht regierungsfähig ist, von Sophie systematisch und konsequent als Thronfolger aufgebaut. Ihren Ehemann Franz Karl (1802-1878), Bruder von Ferdinand, übergeht sie geflissentlich in ihren Überlegungen, da dieser wenig Interesse an den Regierungsgeschäften zeigt und lieber jagen geht.
Sophie geht hier strategisch geschickt vor, verbündet sich zeitweise mit Staatskanzler Metternich, obwohl die beiden sich nicht ausstehen können, und hat auch für ihre anderen Söhne Maximilian (1832-1867), Karl Ludwig (1833-1863) und Ludwig Viktor (1842-1919) Großes vor. Die einzige Tochter Maria Anna (1835-1840) leidet wie ihr Onkel Ferdinand an Epilepsie und stirbt mit knapp fünf Jahren.
Als nach den Revolutionen von 1848 Ferdinand zum Amtsverzicht gezwungen wird, hievt Sophie ihren Erstgeborenen Franz Joseph auf den Thron. Der unerfahrene Kaiser vertraut auf seine Mutter als Ratgeberin. Nur bei der Wahl seiner Ehefrau hört er nicht auf sie. Statt seine Cousine Helene von Bayern, wählt er ihre Schwester Elisabeth, damals noch keine 15 Jahre alt. Hier verschätzt sich Sophie, was ihren Einfluss auf die Schwiegertochter, die zugleich ihre Nichte ist. Die beiden Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein. Sophie, intelligent, ehrgeizig und pflichtbewusst bis zur Selbstaufgabe und jugendlich unbekümmert Elisabeth. Dass hier knirschen muss, ist selbstverständlich.
Meine Meinung:
Autorin Michaela Baumgartner kenne ich durch ihre anderen historischen Romane, die alle in der Donaumonarchie spielen.
Für diesen historischen Roman um Erzherzogin Sophie, der man nachsagt während der Regierungszeit von Ferdinand der einzige Mann im Kaiserhaus gewesen zu sein, hat sie penibel recherchiert. Ihr Schreibstil ist angenehm und leicht lesbar. Wie es sich für einen historischen Roman gehört, tummelt sich auch hier das Who-is-Who der Donaumonarchie, was vielleicht jene Leser:innen, die mit der Welt des österreichischen Adels nicht so vertraut sind, ein wenig überfordern könnte. Hier kann das Personenverzeichnis am Ende des Romans für Klarheit schaffen. Für Interessierte gibt es noch ein ausführliches Quellenverzeichnis.
Ich finde es immer wieder spannend, Biografien oder biografische Romane von verschiedenen Autor:innen zu lesen, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln die porträtierte Person betrachten. So habe ich über Erzherzogin Sophie schon einiges aus den Biografien von Ingrid Haslinger sowie Anna Ehrlich und Christine Bauer erfahren. Daneben ist sie immer wieder Bestandteil in den Biografien ihrer Söhne und auch von Schwiegertochter Elisabeth.
Um noch einmal auf die Sissi-Trilogie zurückzukommen. Die ist ein gutes Beispiel dafür, dass man nur sieht, was man sehen will oder einem zu sehen vorgesetzt wird. Allerdings muss man diese Film im Kontext der Nachkriegszeit sehen, in der man die Menschen durch einen Ausflug in eine glitzernde Traumwelt von der tristen Wirklichkeit ablenken wollte. Und was eignet sich hier besser als der Konflikt zwischen einer Mutter und ihrer Schwiegertochter?
Fazit:
Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der versucht mit dem Mythos von der bösen Schwiegermutter aufzuräumen, 5 Sterne.