Sturm auf See, das ist rohe Gewalt, das ist ein polternder, schreiender, krachender Lärm. Das Heulen des Windes, das Krachen und Stampfen des Bootes, das Tosen der heranrollenden Wellen und der dumpfe Aufschlag, wenn die Wellen über dem Deck zusammenbrechen.
Dieser Satz lässt sofort erahnen, in welche Welt man mit Hart am Wind von Claudia und Jürgen Kirchberger eintaucht. Eine Welt aus Wasser, Wind und Wagemut. Die beiden Autoren haben nicht einfach eine Segelreise unternommen, sie haben sich auf eine Lebensreise eingelassen, die sie in die entlegensten Regionen der Erde führt.
Ich habe beim Lesen oft das Gefühl gehabt, direkt mit an Bord der La Belle Epoque zu sein das Holz knarzt, der Wind peitscht, das Meer tost. Startpunkt ist Österreich, von dort aus führt der Weg flussaufwärts über die Donau Richtung Norden, bis nach Tromsø, dem Tor zur Arktis. Von der Finnmark in Norwegen segeln sie weiter nach Island, folgen der alten Wikingerroute über die unberechenbare Irmingersee bis nach Grönland. Dort zeigt sich, was es bedeutet, sich wirklich auf das Leben auf See einzulassen: Kälte, Einsamkeit, Stürme und die Entscheidung, in einer einsamen Bucht Grönlands zu überwintern, eingeschlossen im Eis.
Besonders eindrücklich fand ich die Passage über die verlassene Geisterstadt Nordafar. Beim Landgang über das Eis zu den alten Ruinen konnte ich mir die Szenerie lebhaft vorstellen: der Frost knirscht unter den Stiefeln, das Schweigen über den leeren Häusern, die einst von Fischern bewohnt waren. Diese stillen Momente kontrastieren wunderbar mit den gefährlichen Etappen auf See, bei denen die beiden auch vom Tod eines anderen Weltumseglers erfahren, dessen Yacht einer Monsterwelle zum Opfer fiel.
Ein Höhepunkt des Buches ist ihre Durchquerung der legendären Nordwestpassage von Grönland nach Alaska ohne Eisbrecherunterstützung. Ein Abenteuer, das Respekt und Staunen weckt. Weiter geht es durch das Beringmeer, wo sie in einer kleinen Bucht vor einem Orkan Schutz suchen, bevor sie den Prinz-William-Sund erkunden, Wölfe beobachten und den majestätischen Columbia-Gletscher sehen. Fast ein Jahr verbringen sie in Alaska, bevor ihre Route weiterführt: über Kalifornien, Mexiko und Französisch-Polynesien bis nach Neuseeland.
Je weiter die Reise fortschreitet, desto stärker spürt man, wie die beiden zu Beobachtern einer anderen Welt werden. Der folgende Satz fasst ihre Haltung wunderbar zusammen:
Unser Leben auf dem Ozean ist davon geprägt, immer weiterzuziehen, stets Veränderungen zu erleben. Gleichzeitig sind wir Beobachter geworden. Beobachter einer klaren Wasserwelt, wo der Lärm und die Ablenkung unserer Zeit keine Bedeutung haben.
Dieses Leben fernab von Medien, Werbung und Beurteilung verleiht dem Buch eine fast meditative Tiefe. Man merkt, dass es ihnen nie darum ging, Orte abzuhaken, sondern sie wirklich zu begreifen, Menschen, Natur, Atmosphäre.
Die beiden erzählen in abwechselnden Tagebucheinträgen, was das Lesen besonders lebendig macht. So entsteht ein authentisches Bild ihrer Erlebnisse, das zwischen sachlicher Beobachtung und persönlicher Reflexion pendelt.
Was mir gefehlt hat, sind jedoch Einblicke in den Alltag an Bord. Wie sah das Leben zwischen den großen Momenten aus? Wie kochten sie, wenn frisches Obst und Gemüse Mangelware waren? Wie hielten sie durch, wenn die Tage eintönig wurden oder jemand krank war? Diese menschlichen Details hätten den Bericht noch greifbarer gemacht und emotional vertieft.
Trotzdem bleibt Hart am Wind ein eindrucksvoller Reisebericht voller Respekt für das Meer, den Mut und die Hingabe zweier Menschen, die sich dem Abenteuer ihres Lebens gestellt haben. Ihre Route liest sich wie eine Chronik der Extreme von der Arktis bis zur Antarktis, von Eiswüsten bis zu Korallenriffen. Ein Buch, das die Sehnsucht nach Freiheit weckt, aber auch zeigt, wie fordernd sie sein kann.
Fazit:
Ein starkes, sachliches und zugleich faszinierendes Logbuch zweier Abenteurer, das mich beeindruckt, aber an manchen Stellen emotional mehr hätte berühren dürfen. Für Segelbegeisterte, Entdecker und alle, die das Meer lieben, ein empfehlenswerter Reisebericht.