Ich muss sagen, dass ich im Vorfeld gar nicht so große Erwartungen an das Buch hatte. Zum einen, weil ich bislang keine Werke der Autorin kannte, zum anderen wirkte das schlichte Cover wenig auffällig. Auch das Thema Familiengeschichten schien mir nicht besonders originell, da man die ein oder andere bereits gelesen hat.
So war der Einstieg auch etwas gemächlich. Hier wird der Fokus auf die Gegenwartsebene gelegt und somit der Bogen in die Vergangenheit von Änne, der Mutter von Ellen bzw. der Großmutter von Laura gespannt. Als klar wird, dass Änne einige Geheimnisse hatte, beginnt die spannende Spurensuche und die zweite Erzählebene, die Vergangenheit, gerät in den Fokus.
Was sich auf den folgenden Seiten entwickelt, ist eine vielschichtige und mitreißende Familiengeschichte. Welches Geheimnis Änne mit sich herumgetragen hat, bleibt bis zum Schluss unklar. Kaum glaubt man als Leser eine plausible Theorie gefunden zu haben, gibt es Enthüllungen, die dagegensprechen. Hypothesen werden aufgestellt, nur um alsbald wieder verworfen zu werden. Dieses ständige Spiel an Möglichkeiten macht die Geschichte unvorhersehbar, voller Überraschungen und voller Brüche.
Änne entpuppt sich dabei als ambivalenter und streitbarer Charakter. Wobei immer die Lebensumstände und Möglichkeiten in Kriegszeiten berücksichtigt werden müssen. Das Herzstück des Buches ist das Verhältnis der Schwestern. Voller Liebe und Unterstützung, aber auch Rivalität und dem Wunsch nach Selbstständigkeit. Und so schwierig es war, haben sie sich doch letztendlich geschützt und füreinander aufgeopfert.
Ich wollte nicht, dass dieses Buch zu Ende geht, so ruhig und detailliert, aber auch traurig und spannend ist es geschrieben. Und gleichzeitig fiebert man dem Ende und der Auflösung entgegen.
Fazit: berührender Blick in eine andere Zeit, in die Lebensumstände und deren traumatische Folgen