Mein Urteil zu japanischer Literatur war bislang recht ausgewogen: Mal fand ich sie toll, mal traf sie nicht meinen Geschmack. Entsprechend gehe ich neugierig und offen an neue Werke heran und konnte mich von "Lasst mich einfach hier sitzen und Yakisoba essen" positiv überraschen lassen.
Anfänglich hatte ich noch Bedenken, dass mir die distanzierte, emotional eher oberflächliche Erzählweise zu kalt sein könnte. Denn grundsätzlich mag ich Geschichten mit hoher Emotionalität und/oder unperfekten Protas. Und ja, auch hier bleiben wir schon wirklich sehr an der Oberfläche, aber das halte ich für ziemlich authentisch und da der Roman wirklich unterhaltsam ist, konnte ich sehr gut damit leben.
Die namenlose Protagonistin sucht nach ihrem Burnout einen neuen Job und bekommt von ihrer Arbeitsvermittlerin (übrigens ein absoluter Engel der Geschichte - wäre es doch nur in der Realität auch öfter so) insgesamt fünf verschiedene Stellen vorgeschlagen. Alle Jobs sind wirklich sehr skurril und/oder zehrend langweilig, etwa das Verfassen kurzer Snacktütentexte oder die digitale Observierung einer Person. Ich sehe hier gewisse Parallelen zu sogenannten Bullshit-Jobs, da all diese Tätigkeiten ziemlich banal oder sogar überflüssig wirken. Wenn diese Analogie von der Autorin beabsichtigt war, schreibt sie sie auf jeden Fall äußerst kreativ!
Alle Jobs eint aber etwas, das durchaus als Kritik am neoliberalen Kapitalismus verstanden werden kann: Der Job wirkt sich zunehmend auf das Privatleben aus und nimmt die Hauptfigur teilweise sogar komplett ein. So freundlich und hilfsbereit die Vorgesetzten und das Kollegium auch immer sind (auch das sehr japanisch geschrieben), die Lohnarbeit nimmt im Leben spürbar zu viel Raum ein.
Ich fand nicht nur die Auswahl der Arbeitsstellen kreativ und unterhaltsam, sondern auch die Ausübung des jeweiligen Jobs. Denn immer passieren komische Dinge, welche die Hauptfigur zu verstehen und lösen versucht. Diese kleinen Spannungsmomente haben meinen Lesefluss enorm gesteigert und waren gleichzeitig nicht ZU spannend!
Positiv erwähnen möchte ich auch, dass hier wiederholt über psychische Erkrankungen, konkret auch durch die Lohnarbeit bedingte, gesprochen wird. Es bleibt stets bei der Nennung, da wir die Figuren auch einfach nicht so tiefgreifend kennenlernen, aber ich halte das bereits für bahnbrechend im japanischen Literaturbereich. Da der persönliche Karriereweg noch einmal von so viel mehr Erwartungen begleitet ist und psychische Erkrankungen entsprechend deutlich mehr stigmatisiert sind als in Deutschland, finde ich diese wiederholten Anmerkungen ganz stark! Da müssen die eigenen Erwartungen meiner Meinung nach auch an die gesellschaftlichen Umstände des Ursprungslandes angepasst werden und so verlange ich nicht, dass bspw. eine Depression auf Figurenebene noch einmal detailliert ausgebreitet wird.
Mit dem Schluss bin ich vor diesem Hintergrund allerdings nicht ganz zufrieden und an manchen Stellen hatte der Text auch seine Längen. So scharfzüngig, wie der Klappentext vermuten lässt, fand ich den Roman zwar bei Weitem nicht, doch insgesamt war es wirklich eine überraschend unterhaltsame und gut lesbare Lektüre, die ich Menschen mit Interesse an japanischer Literatur mit einem gewissen kritischen Element sehr ans Herz lege.