Ich war ehrlich gesagt völlig überrascht, wie sehr mich dieser Einstieg in die Geschichte gepackt hat emotional, atmosphärisch und gedanklich. Schon der Prolog wirft einen mitten hinein in eine Szene, die gleichzeitig distanziert und unglaublich intim wirkt: Jin Evans, der widerwillige Präsident, muss die Hinrichtung von Alexym On anordnen einem Menschen, dem er offenkundig mehr bedeutet, als er zulassen darf. Diese Mischung aus Pflicht und persönlichem Schmerz erzeugt eine Spannung, die ich sofort körperlich gespürt habe. Es ist nicht die große Action, die hier schockiert, sondern diese bedrückende Stille zwischen zwei Menschen, die sich nicht loslassen können, obwohl die Situation sie längst getrennt hat.
Das Seoul des Jahres 2079 wirkte erschreckend realistisch. Jeder trägt einen Chip im Kopf, persönliche Daten sind jederzeit abrufbar, Privatsphäre existiert praktisch nicht und genau diese Nähe zu heutigen Entwicklungen macht das Setting so unheimlich glaubwürdig. Die beiden Autorinnen haben sich offenkundig viel Mühe gegeben, ein Zukunftsszenario zu erschaffen, das zugleich fasziniert und beunruhigt.
Der Sprung neun Jahre zurück hat mich völlig aus dem Konzept gebracht im besten Sinne. Die Persönlichkeiten von Jin und Alexym (hier noch Lex) sind zu diesem Zeitpunkt so anders, dass ich mich fragte, wie aus diesen Jungen jene Männer aus dem Prolog werden sollen. Lex ist ruhig, fast schon der moralische Kompass, während Jin anfangs wie ein verwöhntes Rich-Kid wirkt. Doch je tiefer man eintaucht, desto klarer zeigt sich: Jins Arroganz ist nur ein Schutzschild. Hinter seiner hochbegabten Fassadenwelt steckt ein Junge, der nicht frei ist, sondern von seiner Familie wie wertvolles Eigentum behandelt wird. Dieser Aspekt hat mich emotional sehr bewegt.
Trotz des techniklastigen Sci-Fi-Stils bin ich erstaunlich gut hineingekommen. Die Fußnoten, Illustrationen und Infoboxen helfen enorm und machen das Weltbild klar und greifbar. Ein besonderes Highlight war für mich Speckdose, die Katze sie bringt Wärme, Humor und ein Stück Normalität in diese oft düstere Zukunft.
Der gesamte Auftakt fühlt sich an wie das vorsichtige Lüften eines Vorhangs: Man erkennt erste Hinweise, spürt unterschwellige Spannungen und beginnt zu begreifen, wie viel Tragik und Schicksal zwischen Jin und Lex liegt. Gerade dieses Wissen im Hinterkopf macht viele Szenen umso emotionaler.
Ich freue mich unglaublich auf Band 2. Wenn der Anfang bereits so intensiv, so tiefgründig und so erschreckend realistisch ist, dann kann das, was folgt, nur noch fesselnder werden. Ich bin absolut bereit für die nächste Etappe dieser Geschichte.