Bei allem öffentlich zelebrierten Mitleid mit dem schlimmen Schicksal der von den Kriegen in Osteuropa und im Nahen Osten betroffenen Völker vergisst die deutsche Politik selbstverständlich nie, dass bei diesen unschönen Affären die liebenswerte europäische Mittelmacht Deutschland ebenfalls ein Leidtragender ist. Erleidet sie doch Schäden an viel Edlerem und Höherem als so schnöden Dingen wie Leib und Leben:
In Bezug auf den Ukraine-Krieg müssen Deutschlands Politiker erleben, dass der Machtwechsel in Washington all ihre kriegerische Entschlossenheit ins Abseits laufen lässt: Sie sind zwar immer noch bereit, die Ukraine dafür zu verschleißen, dass ihr Europa zu einer Kontinentalmacht aufwächst, die sich nach eigenem Gutdünken an jedem konkurrierenden Machtanspruch Russlands vergreifen kann. Aber alles Geld und alle Waffen, die sie dafür spendiert haben, erweisen sich nun nicht mehr als Investitionen in die goldene Zukunft einer europäischen Weltmacht, sondern womöglich als vertaner Aufwand: Trump sagt den US-Krieg gegen Russland ab und zerstört damit einstweilen die wunderbare Perspektive, unter amerikanischer Führung Russland als kontinentalen Rivalen zu entmachten und gleichzeitig Deutsch-Europa als kontinentale Vormacht zu etablieren. Wie bedauerlich!
In Bezug auf den Nahost-Krieg muss die deutsche Republik ebenfalls einen bitteren Schlag verkraften: Alle erklärte Solidarität mit Israel, alle vorbehaltlose Unterstützung für dessen Krieg gegen die Hamas, alle Verrenkungen zur Rechtfertigung des unentwegt fortschreitenden Zerstörungswerks in Gaza können nicht verdecken, dass der höhere Sinn dieser Parteinahme für Deutschland ausbleibt: Einen irgendwie zufriedenstellenden strategischen Einfluss und Zugriff auf die geostrategisch eigentlich so perspektivreiche Gewaltlage gesteht Israel seinem deutschen Kumpanen einfach nicht zu. Stattdessen ist es schon wieder Amerika, das als einzige auswärtige Macht Einfluss entfalten kann. Und auch in diesem Fall tut Trump das explizit nicht länger als Dienst an den einstigen europäischen Partnern im Sinne eines gemeinsamen Bündnisses. Generationen von Bundesbürgern haben die NATO-Allianz als zivilisatorischen Höhepunkt der Menschheitsgeschichte feiern dürfen; Generationen von deutschen Politikern haben mit und in diesem Weltkriegsbündnis den imperialistischen Aufstieg ihrer Nation bewerkstelligt - und nun dies!
Aber tüchtige deutsche Patrioten geben nicht auf! In der Mischung aus Entschlossenheit und Opportunismus sichten sie die Lage, definieren Feindschaften um, malen dazu passende Feindbilder neu und versuchen, auch aus Bedingungen, die sie sich fürs Erste schlicht gefallen lassen müssen, doch noch das Beste für ihre Nation zu machen. Das Regiment über ihr Volk haben sie ja. Dem sagen sie die Opfer an, die es bringen muss, damit die Nation nicht zum Opfer der neuen Weltlage wird. Und insofern Kritik daran ganz in der Sorge ums weitere Gelingen des deutschen Machtaufwuchses aufgeht, ist diese Zukunftszugewandtheit regierender Imperialisten weder perspektiv- noch mittellos.
Deshalb kümmert sich der GegenStandpunkt auch in dieser Ausgabe darum, dass die fällige Kritik wenigstens theoretisch stattfindet.
Inhaltsverzeichnis
NATO-Gipfel, Schottland-Deal, Alaska-Treffen mit Nachspiel in Washington
Anmerkungen zu drei weltpolitischen Events, das Verhältnis der USA zu ihren europäischen Alliierten betreffend
Der Fall Brosius-Gersdorf : Von der Verfassungsrichterwahl zur Koalitionskrise
1. Die demokratische Kunst der Diskreditierung unliebsamer Kandidaten
2. Der politische Kern: Der Staat greift in die Schwangerschaft seiner Frauen ein
3. Der Kampf der Frommen und Rechten in der Union um die gebotene nationale Sittlichkeit
4. Die Sollbruchstelle innerhalb der Union
K. Reiche: Eine Top-Besetzung für das Wirtschaftsministerium
Die Rettung der deutschen Volksseele vor den Vertretern eines verfassungsfeindlichen Volksbegriffs und vor unerwünschten Ausländern
Apropos Drecksarbeit
Berliner Kriegshetze
Trump im Spiegel der seriösen deutschen Öffentlichkeit
Vom Zeichnen einer Karikatur des Präsidenten zur opportunistischen Kritik seiner Macht
Chronik eines angekündigten Friedens
Trumps 12-Tage-Krieg in Nahost
US-Militärstrategie im Indopazifik
Amerika sichert den Weltfrieden mit einem perfekten Weltkriegsszenario gegen China
Der Indopazifik: Exklusiver Besitzstand der USA . . .
. . . von China zunehmend bestritten
Die Antwort der USA: Frieden durch Stärke
Die strategische Auftragslage: Die Verwandlung des Indopazifik in einen Kriegsschauplatz, der a priori den Sieg im militärischen Kräftemessen garantiert
Die strategische Hauptsache: Kriegsplanung gegen eine Atommacht
Die Präparierung des konventionellen war theater : Operationsräume, Stützpunkte und Kriegsmittel für Eskalationsdominanz in allen denkbaren Szenarios
Bündnispartner und Verteidigungsnetzwerke: Amerikas größter asymmetrischer Vorteil
Solche und solche Bündnispartner
Manöver als Dauereinrichtung: notwendiges Element der aktiven Abschreckung
Russlands Kriegswirtschaft
I. Staatlicher Rüstungsbedarf und seine Konsequenzen für die etablierten Markt- und (Re)Produktionsverhältnisse
II. Materielle Grundlage der Kriegswirtschaft und die Wirkungen des Sanktionsregimes
Ererbte und ausgebaute Industriepotenzen, Verfügung über natürliche Reichtümer und die Resultate der Teilnahme am Weltmarkt
Das westliche Sanktionsregime und seine Folgen
III. Geld- und Kapitalbedarf für eine leistungsfähige nationale Kriegsökonomie
IV. Die staatliche Geldbeschaffung
durch Besteuerung der nationalen Kapitalakkumulation
durch Mobilisierung des Nationalkredits
V. Zerrüttung und Bewährungsprobe des russischen Kriegskapitalismus
Nachtrag zur Konkurrenz der Kapitalisten und Vorblick auf die Lohnarbeit
Zum notwendig falschen Bewusstsein` der Charaktermasken` der kapitalistischen Produktionsweise
Inwiefern falsch
Inwiefern notwendig
Inwiefern Bewusstsein
Die Praxis: Die Welt der Konkurrenz
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