Kürzlich charakterisierte Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki Theodor Fontane als "größten deutschen Romancier der Epoche zwischen den "Wahlverwandtschaften" und den "Buddenbrooks", zwischen Goethe also und Thomas Mann". Dennoch ist sein Werk etwas in Vergessenheit geraten, hat kaum noch Platz in den Deutsch-Lehrplänen der Schulen. Vielleicht hat man als Kind das Gedicht über den Birnbaum im Garten des Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland vorgelesen bekommen oder später in einer Fassbinder-Retrospektive die grandiose Verfilmung der "Effi Briest" mit Hanna Schygulla in der Titelrolle gesehen. Doch letztlich hatte man den Eindruck: Na ja, Klassiker eben und daher leicht angestaubt.
Dieser Eindruck trügt. Das beweist das Hörbuch "Mit Fontane auf Reisen". Der Hörer ist überrascht, wie satirisch-witzig, wie modern, ja sogar wie aktuell diese Reise-Impressionen sind. Denn Fontane, aus Unkenntnis gern auf den Wanderer durch die Mark Brandenburg reduziert, war ein weit- und vielgereister Autor. Ausgedehnte Touren durch England, Frankreich, Italien, Schweiz, Böhmen und Dänemark stehen neben Exkursionen in viele deutsche Regionen sowie den oft mehrmonatigen Sommerfrischen im Erzgebirge, in Thüringen oder an der Nord- bzw. Ostsee.
All diese touristischen Erfahrungen, wie sie jeder von uns kennt - mit schlechten Quartieren und nörgeligen Hoteliers, mit Nepplokalen und nervenden Reisegenossen, mit ätzenden Familiendiskussionen über die Wahl des Reiseziels und typisch deutschen Nachbetrachtungen, ob sich der Urlaub denn gelohnt hat -, all dies spiegelt sich in den Texten des Hörbuchs wider. Feuilletonistische Erzählungen, die an Qualität in nichts den großen Altersromanen nachstehen, mischen sich auf den CDs mit Ausschnitten aus Briefen und Reisebüchern, in denen Fontane in seiner heiter-ironischen Art so manche Sehenswürdigkeit vom Sockel reißt und die "feine" Gesellschaft karikiert. Es sind genau diese erzählerischen Reize, die das Hörbuch nicht nur zu einem vergnüglichen Begleiter für unterwegs, sondern auch zu einer literarischen Entdeckung machen.