Seit fast dreißig Jahren ist die Ich- Erzählerin des neuen Romans von Siri Hustvedt, die relativ wenig erfolgreiche Lyrikerin Mia Fredericksen, mit ihrem Mann Boris verheiratet, einem Wissenschaftler, der sich mit Neuronen beschäftigt. Sie haben eine schon erwachsene Tochter und ihr Leben ist eigentlich ganz normal, als Boris Mia eines Tages aus heiterem Himmel sie mit dem Wunsch konfrontiert, er brauche eine Pause: Die Pause ist zwanzig Jahre jünger, hat große Brüste und ist Boris` Laborassistentin.
Mia dreht vollkommen durch, landet in der Psychiatrie: Dr. P. diagnostizierte dann eine akute vorübergehende psychotische Störung, auch bekannt als Durchgangssyndrom, was bedeutet, dass man wirklich verrückt ist, aber nicht lange.
Sie wird bald entlassen und fährt von New York nach Minnesota, wo ihre alte Mutter in einer Seniorenresidenz lebt. Insgesamt fünf sehr alte Frauen sind es, mit denen Mias Mutter eine besondere Gemeinschaft verbindet. Mia nennt sie die Schwäne, und in der Folgezeit erfährt sie von diesen alten Frauen sehr viel Lebensweisheit, Klugheit und Trost. Trost und psychische Hilfe bekommt sie auch von ihrer Therapeutin, mit der sie einmal in der Woche ein sehr langes Telefonat führt und die sie sensibel in ihrem Prozess der Selbstfindung begleitet.
Denn genau das ist es, was Siri Hustvedt da, angereichert mit unzähligen philosophischen und psychologischen Reflexionen, beschreibt. Eine Frau, die Abstand gewinnt von einer sehr verletzenden Situation, die sich von den fünf alten Schwänen auf der einen Seite, und von sieben jungen Mädchen in der Pubertät auf der anderen Seite Kraft und Inspiration für die Bewältigung ihrer Situation holt. Sind es bei den fünf alten Frauen reife Lebenserkenntnisse wie etwa der Satz, den die Hobbykünstlerin Abigail zu Mia, Hiob aus dem Alten Testament zitierend, sagt: Gedenke, dass mein Leben ein Wind ist, geben ihr die Mädchen, denen sie einen Kurs über Gedichte hält, eine Fülle von Hinweisen darauf, wie Frauen ticken und sich in bestimmten Situationen verhalten.
So ihren Alltag doch sehr bewusst lebend, greift sie immer wieder auf die philosophischen Lesefrüchte ihres Lebens zurück und kommt langsam zu sich selbst und zu immer reiferen Erkenntnissen über das Zusammenleben von Frauen und Männern. Und die notiert sie wie in einem Tagebuch: ihr eigenes Leben, ihre Kindheit, ihre ersten sexuellen Erfahrungen, die Liebe zu Boris und die Zeit mit ihm. Und indem sie, den alten Freud im Sinne, erinnert, wiederholt und durcharbeitet, heilt sie ihre alten und neuen Wunden, und weiß am Ende, was sie tun und wie sie leben will.
Dazu braucht es aber einen Sommer ohne Männer. Es ist ein Buch, das Siri Hustvedt auf der Höhe ihres literarischen Schaffens zeigt und auf der Höhe ihres Bewusstsein als Frau.
Ein Buch voller Poesie und Zärtlichkeit für das eigene Leben.