Goliath, Gott und PunkrockUm es mit Andreas Brehme zu sagen: Ja gut. Aber! Ja gut, Tocotronic sind eine hervorragende Band, eine der besten hier zu Lande. Ihre CD "K.O.O.K." vom letzten Jahr ist das musikalische Meisterstück der drei Hamburger, die Konzerte dazu waren beeindruckend. Und Thees Uhlmann war als Roadie dabei. Aber! Muss er deswegen gleich ein Buch darüber schreiben? Vielleicht muss er. "Ich war 1999 mit Tocotronic auf Tour, und ich habe darüber ein Buch geschrieben!" jubelt Uhlmann auf der letzten Seite, und all seine Begeisterung über "die beste Zeit meines Lebens" und der Wehmut darüber, dass sie nun zu Ende geht, sind ihm deutlich anzumerken. Nur, viel mehr ist in seinen Tourtagebüchern mit dem Titel "Wir könnten Freunde werden" nicht zu spüren. Von Antwerpen, Monthy am 17. April 1999 bis nach Berlin, Arena am 5. November 1999 verläuft die Tocotronic-Konzertreise auf drei Tourneen und ein paar Festivals so, wie man sich das bei einer Band auf Tour eben vorstellt: Musiker samt Begleitung hängen Tag für Tag stundenlang auf der Autobahn, mal in einem alten Goliath-Bus, mal in einem schnittigen Nightliner. Am Konzertort angekommen, läuft immer das gleiche Muster ab: Aufbau, Soundcheck, Hotel, Konzert, Feiern (oder zumindest Betrinken) danach. Zwischendurch ärgert sich Uhlmann mit den Veranstaltern herum, trifft Bekannte, schaut sich im Hotelzimmer Zeichentrickserien an, redet mit der Band und den anderen Mitfahrern wie Schorsch Kamerun von den Goldenen Zitronen über Gott und die Welt, Musik und, vor allem, über Punkbands. Einmal schenkt ihm Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow ein Buch von Foucault - das zumindest hätte man vom Kopf einer intellektuellen Indie-Rockband aber auch erwartet. Gerade die Monotonie der Situation, die von Stadt zu Stadt wechselnde Variation des Immergleichen könnte den Reiz eines Tourtagebuches ausmachen, doch bei Uhlmann fehlen schlicht und ergreifend die Mittel, um die dabei entstehende merkwürdig irreale Atmosphäre zu greifen und zu beschreiben. Seine lakonischen Beschreibungen wirken trotz mancher schöner Hintergedanken schon nach wenigen Stationen langweilig, die naive politische Korrektheit ("Man hat sowieso die feste Überzeugung, bei diesem Festival auf der richtigen Seite zu spielen, ..."), die immer wieder durchscheint, nervt mit jeder umgeblätterten Seite mehr. Auch Fans der Band werden vom Buch enttäuscht sein, denn man erfährt so gut wie nichts über Tocotronic, abgesehen von ein paar Dialogfetzen und Infos über die Plattensammlung des Bassisten Jan Müller und Arne Zanks Schlagzeug. Die Musiker bleiben wie alle anderen Figuren in Uhlmanns Buch völlig eindimensionale Gestalten ohne jede Tiefe oder Persönlichkeit. So ist "Wir könnten Freunde werden" wohl vor allem als nette Geste an all jene gedacht, die bei den "K.O.O.K."-Konzerten irgendwie dabei waren. Und damit sich auch keiner übergangen fühlt, besitzt das Buch einen völlig überflüssigen Index, der allenfalls als Scherz zu verstehen ist, aber fatal an das Personality-Verzeichnis der "Bunten" erinnert: Wer oder was wichtig ist in dieser oder jenen Szene, der taucht hier auf. Nur nicht Andreas Brehme. Dabei kommt der auch aus Hamburg und seine Interviews sind in etwa so bedeutungsschwer wie dieses Buch. (C) SPIEGEL ONLINE - Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet AG