Doktorarbeit / Dissertation aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Russistik / Slavistik, Note: Sehr gut, Universität Wien (Institut für Slawistik), Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Dissertation stellt eine erstmals über den theoretischen Diskurs hinausgehende, auf verschiedene Erhebungsmethoden gestützte Analyse der Sprachenfrage in den Kirchen des byzantinischen Ritus sowie der Bedeutung der Sprachenfrage im religiösen Alltag ukrainischer Christen dar.
Die im Umbruch begriffenen gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen wirken sich in besonderem Maße auf die Sprache aus. Derzeit befindet sich das Ukrainische allem Anschein nach in einer Phase der Konsolidierung, welche in immer stärkerem Ausmaß auch den sensiblen Bereich der Religion erfasst. Hatte die Marginalisierung der Religion zu Sowjetzeiten den Verfall des Kirchenslavischen beschleunigt und zu einer unzureichenden Ausprägung eines konfessionellen Stils im Ukrainischen geführt, erfolgt aktuell die Ent-wicklung und Normierung einer einheitlichen ukrainischen Kirchensprache. Die Rezeption dieser Entwicklung bzw. die Klärung der Relevanz für das ukrainische Christentum durch die Sprachwissenschaft weist jedoch bis dato einige zentrale Defizite auf: Nach wie vor fehlen umfassende Darstellungen der sprachlichen Situation in den Kirchen oder auch eine einheitliche Definition des Begriffs "Kirchensprache". Daher wird der Forschungsgegenstand entlang der folgenden Analysedimensionen behandelt: außersprachliche Aspekte der Sprachenfrage in den Kirchen des byzantinischen Ritus, Ansätze im Diskurs über die Erneuerung der Kirchensprache, Relevanz der Sprachenfrage und der Sprachendebatte im Glaubensleben der Christen.
Die Arbeit stützt sich auf mehrere Forschungsmethoden, sie kombiniert das Studium und die (Inhalts)analyse der "Produkte menschlicher Arbeit" (Primär-, Sekundärtexte) mit der Befragung über "aktuelles menschliches Verhalten" (mittels qualitativer und quantitativer Fragebogen bzw. in mündlich geführten Gesprächen gewonnener Aussagen aus dem "natürlichen Umfeld"). Besonderes Augenmerk galt der Wahrnehmung der sprachlichen Situation, dem Verständnis von religiöser und sprachlicher Identität, der Verwendung des Ukrainischen im Gottesdienst aus einer "Innensicht" und aus der "Außenperspektive", der Beurteilung des Übergangs vom Kirchenslavischen zum Ukrainischen sowie der Wahrnehmung sog. "traditioneller Kirchen", der interkonfessionellen Konflikte und der Einschätzung der Koexistenz der verschiedenen Kirchen.