Geheime Tochter beginnt bereits auf den ersten Seiten sehr mitreißend, denn man erlebt den indischen Umgang mit einer neugeborenen Tochter aus nächster Nähe mit. Man erfährt, wie ungewollt ein Mädchen dort ist, so ungewollt, dass man es oft abtreibt, nach der Geburt tötet oder weggibt. Von Anfang an steckt man mittendrin in der indischen Lebensweise, wird aber bald durch einen Szenenwechsel an das andere Ende der Welt geschubst, um zu sehen, wie die Amerikanerin Somer mit ihrem indischen Ehemann Krishnan verzweifelt versucht, ein Kind zu bekommen. Nach jedem Kapitel dreht sich die Kugel wieder und man ist erneut in einer anderen Welt. Auf diese Weise werden die Leben der beiden Frauen perfekt gegenübergestellt und man hätte die Unterschiede nicht deutlicher machen können. Es ist von Anfang an klar, dass es darauf hinauslaufen wird, dass Somer Kavitas Tochter adoptiert und ich war so gespannt darauf, wie sich die Geschichte weiterentwickeln wird, dass ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen konnte. Man erlebt mit, wie Asha, das adoptierte indische Mädchen, in Amerika aufwächst und später ihre Wurzeln sucht. Man erfährt aber auch, wie es mit Kavita weitergeht, mit ihrem Mann, mit Somer und mit Krishnan. Und genau da kommt leider auch der Knackpunkt, der die Geschichte etwas zerfallen lässt: Zu viele Sichtweisen zerstören irgendwann die Atmosphäre des Buches. Ich fand es perfekt gewählt, immer zwischen Somer und Kavita hin und her zu springen und als der Blick dann auf die erwachsene Asha wechselte und die Geschichte aus ihrer Sicht weitererzählt wurde, fand ich das auch noch gut. Allerdings erfährt man ab da auch weiterhin Episoden aus Kavitas Sicht und aus Somers und hintendran kamen nun auch noch Krishnan und Jasu, Kavitas Ehemann, dazu. Ich hatte das Gefühl, das die Autorin einfach nicht loslassen konnte und unbedingt jede Geschichte bis ins Detail zu Ende erzählen musste. Dennoch war das Ende dann wieder sehr schön erzählt, teilweise auch gerade wegen dieser vielen Sichtweise, sodass ich dem Ganzen etwas gespalten gegenüberstehe. Viel besser fand ich dafür die Beschreibung Indiens, der Kultur und der Lebensweise dort. Nicht zu negativ beleuchtet, aber auch nicht hochgelobt. Viele Missstände wurden aufgezeigt, aber manchmal auch erklärt. Insgesamt ist der Autorin ein guter Blick auf die indische Kultur (bzw. auf das, was sie davon zeigen wollte) gelungen, aber auch darauf, was Familie wirklich bedeutet.