Den immerwährenden Traum der Menschheit, Einblick in die Zukunft nehmen und so den Erfolg wichtiger Unternehmungen schon im voraus überschauen zu können, schienen babylonische Gelehrte schon im ausgehenden dritten vorchristlichen Jahrtausend verwirklicht zu haben. Sie standen im Ruf, an zahlreichen Zeichen in Natur und Umwelt zukünftiges Wohl und Wehe genau zu erkennen und das Schicksal jedes einzelnen Menschen ergründen zu können. Daher waren sie nicht nur Königen und Heerführern als Ratgeber unentbehrlich, sondern erfreuten sich auch als Lebensberater großer Beliebtheit.
Der Ruhm der altorientalischen Zeichendeuter war so groß, daß er sich im gesamten Mittelmeerraum verbreitete. Ihre Lehren prägten das Weltbild der Klassischen Antike. Als Mittel der Entscheidungsfindung kam in Rom und Griechenland namentlich den Orakelverfahren der Opferschau und der Lehre von den zukunftsweisenden Zeichen des gestirnten Himmels hohe Bedeutung zu.
Stefan M. Maul erschließt in seinem gleichermaßen spannenden wie erhellenden Buch das kaum überschaubare und in weiten Teilen noch unveröffentlichte Schrifttum der babylonischen Gelehrten. Anschaulich erklärt er die altorientalischen Verfahren der Zukunftsschau und zeigt auf, wie sich im Lauf von Jahrtausenden aus den Lehren von der Zeichenhaftigkeit der Welt der Nährboden für unsere heutigen Wissenschaften bildete.
In seinem eindrucksvollen Beitrag zur Geistesgeschichte geht er zudem der Frage nach, wie es möglich war, daß eine auf Eingeweideschau und Astrologie fußende Politikberatung dauerhaft stabile politische Verhältnisse beförderte.
Inhaltsverzeichnis
1;Cover;1 2;Titel;3 3;Impressum;4 4;Inhalt;5 5;1. Zeichen des Himmels und der Erde;9 6;2. Opfer und Wahrsagekunst;21 7;3. Botschaften in Leber und Innereien: Grundzüge der Eingeweideschau;29 7.1;Die Opfertiere;29 7.2;Eine durchwachte Sternennacht: Der rituelle Rahmen einer Opferschau;32 7.3;Die Prüfung des Opfertiers und seiner Eingeweide;54 7.4;Die Leberschau;64 7.5;Urteilsverkündung und Beendigung des Opferschaurituals;100 7.6;Maßnahmen im Fall eines dauerhaft ungünstigen oder ungültigen Opferschaubefundes;104 8;4. Die hohe Kunst des Fragens;111 9;5. Eine preisgünstigere Variante: Die Inspektion von Opfervögeln;131 10;6. Opferschau für Eilige und Arme;155 10.1;Wahrsagen mit einer Handvoll Mehl;156 10.2;Prophezeiungen mit Räucherwerk;162 10.3;Der Blick in die Zukunft mit ein paar Tropfen Öl;167 11;7. Von der Fleischbeschau zur Wissenschaft: Das Aufblühen der babylonischen Kunst, Zeichen aus Eingeweiden zu lesen;181 11.1;Die Ursprünge im Dunkel der Vorgeschichte;182 11.2;Anfänge in der frühen städtischen Hochkultur des Alten Orients;185 11.3;Der political turn der Opferschau im ausgehenden dritten Jahrtausend v. Chr.;187 11.4;Eine Gelehrtendisziplin bildet sich heraus;191 11.5;Opferschau und Staatsmacht;200 11.6;Der lange Weg von der mündlichen zur schriftlich fixierte Überlieferung;210 11.7;Erste keilschriftliche Fallsammlungen;214 11.8;Zeugnisse der Opferschau-Praxis: Opferschauprotokolle und Musteranfragen;218 11.9;Von Babylonien in die Welt: Das erfolgreiche Streben der Großmächte nach dem gehüteten Wissen der Opferschauer;220 11.10;Babylonien schafft sich erneut ein Wissensmonopol;227 11.11;Assyrien erzwingt das Erbe des babylonischen Südens;231 12;8. Anfechtungen : Der unaufhaltsame Aufstieg der babylonischen Sternkunde;237 13;9. Neue Lehren vom Kosmos oder die Interdisziplinarität der Wahrsager;277 14;10. Im Auge der Macht: Wahrsagekunst und Politikberatung;297 15;11. Von Sinn und Unsinn der Prognostik;315 16;Anhang;325 16.1;Anmerkungen;327 16.2;Abkürzungsver
zeichnis;375 16.3;Literaturverzeichnis;377 16.4;Epochen der mesopotamischen Geschichte und ihre Datierung;404 16.5;Zur Umschrift altorientalischer Wörter und Begriffe;405 16.6;Danksagung;406 16.7;Indices;407 16.7.1;1. Orte und Gewässer;407 16.7.2;2. Personen;408 16.7.3;3. Gottheiten;410 16.7.4;4. Sachregister;411 16.8;Bildnachweis;423 17;Zum Buch;433 18;Über den Autor;433 19;Karte;434