Wolfgang Koeppens Literaturklassiker "Tauben im Gras", welcher 1951 als erster der drei Romane der "Trilogie des Scheiterns" erschien, erzählt in vielen kurzen Abschnitten das Leben mehrerer Personen an einem Tag in den fünfziger Jahren des Nachkriegsdeutschlands.
Bei den höchst unterschiedlichen Menschen handelt es sich meist um flache Charaktere, die wie Zeittypen eine bestimmte Strömung repräsentieren. Allen gemeinsam ist jedoch die Desorientierung nach der deutschen Katastrophe , die sie wie Tauben im Gras, von Angst und Schuld gejagt, in ihrem Leben umher hetzen lässt.
Gerade dies ist der zentrale Aspekt des Romans, nämlich, dass sich eben gerade kaum jemand mit der Verarbeitung der Vergangenheit auseinandersetzte. Weitere Themen sind Rassismus, die Sprachkrise, Stagnation durch Angst, Religion, Isolation, Generationenkonflikte und Kultur.
Durch die besonders hervorstechende Montagetechnik, den häufigen Perspektivenwechsel, sowie die vielen simultan laufenden Handlungsstränge, schafft Koeppen ein kaleidoskopartiges Bild der damaligen Verhältnisse, das - wie Marcel Reich-Ranicki es formulierte - einer Diagnose gleicht.
Insgesamt halte ich den Roman, obwohl er durch negative Charakterzüge der Nachkriegszeit dominiert wird, für ein passendes Abbild seiner Zeit, da er sie so darstellt, wie sie war.
Mich persönlich störten anfangs die teilweise etwas langatmigen Aneinanderreihungen bloßer Wörter, da ich ihre Funktion nicht verstand. Nachdem ich das Werk allerdings fertig gelesen hatte, begriff ich, dass gerade diese Technik, sowie auch die Montagetechnik und der parataktische Satzbau, die Trauer und Verarbeitung des Autors widerspiegeln, was mich tief beeindruckte.
Auch dadurch, dass die angesprochenen Themen heute immer noch hochaktuell sind, denke ich das dieser Roman auf jedenfall lesenswert ist - besonders für uns Deutsche, da er uns vor Augen führt, wie viele von uns mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte umgegangen oder eben gerade nicht umgegangen sind.