In ihrem zweiten Roman "Raureifzeit" entführt uns Cornelia Briend ins Frühmittelalter. Wir erleben eine Reise des jungen Ivar und zwei seiner Gefährten von Normandie nach Irland. Sie müssen die berühmten Ulfberht-Schwerter schmuggeln und geraten in eine prekäre Lage. Die Reise verläuft beinahe katastrophal. Inzwischen kämpfen auf der Insel viele Stammesfürsten und Regionalkönige gegeneinander um die Vorherrschaft. In diese Turbulenzen wird auch Ceara (Ivars Ziehschwester) nolens volens hineingezogen.
Alles, was sich zu dieser historischen Epoche zugetragen hat, wird anschaulich, erlebbar und greifbar geschildert und dem Leser erklärt und thematisiert. Das Tempo der Geschichte steigt an. Die Dramatik nimmt ab der Mitte stark zu, so dass der Leser die Protagonisten begleiten kann und nicht aus dem Auge verliert, um was es eigentlich geht. Hier muss ich erwähnen, dass der Einstieg persönlich für mich eher einer Herausforderung glich: mit den irischen Namen und den Clans, die gleich zu Anfang eine Rolle spielen, musste ich mich sehr lange durch die ersten Kapitel durchkämpfen. Auch dass ich den vorherigen Band "Brombeerblut" nicht gelesen habe, trug dazu bei.
Der Schreibstil gefällt mir ausnahmslos gut. Jeder, der historische Romane liest, weiß, es könnte durchaus schnell trocken werden. Die Autorin vermischt wahre Fakten (im Nachwort erklärt), kulturelle Themen, Traditionen, politische Intrigen, grausame Erzählungen von Strafen und Schlachten. Der Roman wirkt sehr ausgefeilt und ausgereift. Der Autorin gelingt es die Handlung sehr konzentriert zu schildern und die einzelnen Figuren eine eigene Entwicklung durchleben zu lassen. Bei mir hat sich sehr schnell ein Lieblingsprotagonist herauskristallisiert: es war Ivar mit seinen Stärken und seinen Schwächen (also kein Superheld, so was mag ich gar nicht). Auch zu den anderen Nebenfiguren spürt der Leser Sympathie oder ebenso Enttäuschungen und Schmerzen. Am Ende habe ich das Buch zugeklappt und habe mir gedacht: ich will meine neuen Freunde noch nicht verlassen. Bitte lasst mich noch ewig weiterlesen. Ich glaube, dass ist das größte Kompliment für einen Autor.
Der Roman besteht aus mehreren Handlungsfäden, die zuerst parallel, danach zusammen herlaufen. Jedes Kapitel ist mit dem Titel (meines Erachtens eher nichtssagend) und dem aktuellen Handlungsort versehen. Die Fortsetzung wird es wohl nicht geben, da die Geschichte komplett abgeschlossen ist.
Wer Historische Romane mag, die einen Einblick ins Leben im Frühmittelalter zeigen, dem sei dieser Roman ans Herz gelegt. "Raureifzeit" ist ein vielschichtiger und fesselnder Roman, der die realen Verhältnisse der damaligen Zeit sehr lebendig wiedergibt und viele Personen einbindet, die es wirklich gegeben hat, und kann gut unterhalten.
In der Summe verdient der Roman 4,5 von 5 Sternen.