Das Ende der Schulzeit in der Oberstufe ist in Sicht. Und an jeder Schule gibt es "DIE" Clique, in deren Dunstkreis sich jeder gern sonnen möchte oder aber einfach nur das Daueropfer dieser Clique ist. Julia, Marlene und Leonard sind genau so eine Clique: Allseits beliebt, keine schlechten Schüler, die Zwillinge Marlene und Leonard aus einem privilegierten Elternhaus und immer ein Mobbing-Opfer findend. Julia hat es mit ihrer Mutter, die drei Jobs gleichzeitig hat, nicht so leicht, denn um ihre Geschwister muss sie sich auch noch kümmern. Ihre geheimsten Gedanken vertraut sie daher einem Internet-Blog auf ihrem Laptop an. Und dann der Super-GAU: Ihr Laptop geht verloren und plötzlich werden ihre Einträge im Internet öffentlich für jeden zugänglich. Doch wer ist für den nun folgenden Dauer-Spießrutenlauf von Julia verantwortlich? Wer ist Hase und wer ist das Raubtier im "Hasenpelz"?
"Das Gegenteil von Hasen" von Anne Freytag ist keine Jugendliteratur im klassischen Sinne, auch wenn die Protagonisten zum größten Teil Jugendliche sind. Es geht viel mehr um ganz normale gesellschaftsproblematische Dinge wie Mobbing, Fluch und Segen des Internets, Trennung innerhalb der Familie, damit einhergehender gesellschaftlicher Abstieg und Schamgefühle. Doch auch eher jugendliche Probleme wie das Finden der eigenen sexuellen Identität, inklusive dem Dazustehen, das Finden der Stellung innerhalb der Gesellschaft, Schließen von Freundschaften und Aufkommen von Liebe, der Schmerz, wenn diese ein Ende finden, stellen einen großen Teil des Romans dar. All dies wird von der Autorin in unglaublich ehrliche, knackige Worte verpackt.
Ich gebe zu, der Einstieg in das Buch fiel mir zuerst nicht leicht, denn eigentlich wollte ich erst einmal nur schnell ins Buch hineinlesen. Dabei kam ich mit Julia zuerst überhaupt nicht klar, ich konnte sie nicht richtig fassen. Doch schnell merkte ich, dass ich einfach beim Weiterlesen bleiben musste, denn so entgingen mir keine der vielen Kleinigkeiten und Zusammenhänge. So spülte mich die Handlung regelrecht mit sich fort. Und ich wurde nicht enttäuscht: Ein Krimi verpackt in einer Geschichte über Jugendliche, die beim Suchen ihrer Identität mit dem ganz normalen Leben konfrontiert werden. Es war für mich hochinteressant, über die Auswirkungen von Mobbing aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu lesen. Und hier kommt Linda ins Spiel: Hut ab vor dieser starken Persönlichkeit! Sie hat mich persönlich am meisten beeindruckt.
Auch das Cover möchte ich nicht unerwähnt lassen. Das niedliche kleine, unschuldig blickende Häschen wirft doch einen interessanten Schatten. Ob es nun ein Fuchs oder ein Wolf ist, ist völlig zweitrangig. Für mich stellt es einfach nur die Möglichkeit der Zweideutigkeit dar, die in vielen Dingen im Leben zu finden ist. Ganz nebenbei begegnet ein kleiner Hase im Buch mehreren Personen, einfach so und mitten in der Stadt. So wurde auch das Cover von der Autorin wunderbar ins Geschehen eingearbeitet.
Fazit: Anne Freytag, von der ich vorher noch kein Buch gelesen hatte, was ich aber nun dringend ändern muss, hat mir mit diesem Roman über tiefste Menschlichkeit, Ehrlichkeit und Moral das bisherige Lese-Highlight des Jahres beschert. Ich gebe zu, am Ende habe ich doch leicht vor mich hin geschnieft und sinnierte noch einige Zeit für mich hin. Das passiert mir echt selten. Daher bin ich regelrecht gezwungen, eine volle Leseempfehlung zu geben. Aber bitte den Roman nicht mal schnell zwischendurch lesen, da entgeht dem Leser doch so einiges und das wäre schade.