Betrachtet man den Roman als Krimi, so kann er mit einer originellen Grundidee, einer charismatischen Ich-Erzählerin, liebenswert gezeichneten Charakteren und einem gelungenen Twist am Ende punkten. Das ist schon mal deutlich mehr, als viele andere Vertreter dieser Gattung sonst so zu bieten haben. Zwar gibt es in diesem Genre keine echten Überraschungen mehr, weil alles schon mal da gewesen zu sein scheint. Das gilt auch hier, die Auflösung kennt man z. B. bereits von Agatha Christie. Dennoch muss ich gestehen, dass ich das Ende nicht habe kommen sehen. Es wäre m. E. allerdings ein Fehler, das Buch ausschließlich als Krimi zu betrachten. Die Assoziationen und gedanklichen Verknüpfungen, die den Roman beherrschen, machen mindestens so viel Vergnügen wie die Handlung selbst. Manche Sätze muss man ganz bewusst auf sich wirken lassen. Sie laden dazu ein, länger über das Geschriebene nachzudenken. Da steckt viel Menschenkenntnis, Witz und Tiefgründigkeit drin. Seitenhiebe auf die katholische Kirche darf man von der Autorin erwarten - und bekommt sie auch zuverlässig geliefert. Dass Olga Tokarczuk ihr Handwerk versteht, kann man nicht übersehen: Allein die Beschreibungen der Landschaft und des Dorfes zu lesen, ist ein großes Vergnügen. Wer allerdings unbedingt eine Botschaft erwartet, wird enttäuscht werden: Das Buch ist breit interpretierbar und steht am Ende für sich selbst. Es bietet aber viele Denkanstöße, nachwirkende Schilderungen und ungewöhnliche Perspektiven. Ein anspruchsvolles Lesevergnügen, das sich als Whodunit getarnt hat.