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Der Lesetipp von unserem Experten Adrián
Oh ja, das ist definitiv ein Buch, ganz nach meinem
Geschmack: Großartig skurril, etwas verrückt und einfach
grandios! Helena Adler bietet der Leserschaft ein wahres
sprachliches Feuerwerk, rau, rotzfrech, aber grenzgenial.
Kein Wunder also, dass 'Die Infantin trägt den Scheitel
links' es letztes Jahr auf die Longlist des deutschen
Buchpreises geschafft hat. Und darum geht¿s in diesem
außergewöhnlichen Coming of Age-Roman: Die namenlose
Erzählerin wächst als jüngste Tochter im ländlichen
Österreich auf. Das Abfackeln des elterlichen Bauernhofs
ist nur der Beginn einer Serie an naiven Versehen und
rebellischen Akten, die sie langsam zu einer jungen,
eigenwilligen Frau heranwachsen lassen. Ich muss gestehen,
ein Werk, wie dieses, habe ich tatsächlich noch nie
gelesen. Die wortgewandte Autorin, selbst im Salzburger
Land aufgewachsen, erzählt hier nicht nur eine richtig
wilde Story, sie lässt uns auch in die 'Abgründe' einer
kleinen, idyllischen Dorfgemeinde blicken. Dabei
beeindruckt Adler mit unglaublicher Kreativität sowie
einem ausgesprochen erfrischenden Sinn für Humor und
bizarre Momente. Schnell taucht man auch in die explosive
Gefühlswelt der Protagonistin ein, die zwischen Wut,
Trauer und einem Drang zur Rebellion schwankt. Mein Fazit:
Wer sich auf dieses schrille Abenteuer einlassen möchte,
wird auf jeden Fall auf seine Kosten kommen!
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Dass sie, die jüngste Tochter, das zarte Kind, den Bauernhof ihrer Eltern abfackelt, ist nicht nur ein Versehen, es ist auch Notwehr. Ein Akt der Selbstbehauptung gegen die Zumutungen des Heranwachsens unter dem Regime der Eltern, einer frömmelnden, bigotten Mutter und eines Vaters mit einem fatalen Hang zu Alkohol, Pyrotechnik und Esoterik. Von den älteren Zwillingsschwestern nicht zu reden, zwei Eisprinzessinnen, die einem bösen Märchen entsprungen sind und ihr, der Infantin in Stallstiefeln, übel mitspielen, wo sie nur können. Und natürlich fehlen auch Jäger, Pfarrer und Bürgermeister nicht in dieser Heuboden- und Heimatidylle, die in den schönsten Höllenfarben gemalt ist und in der es so handfest und herzhaft zugeht wie lange nicht. Dieses Buch ist ein Fanal, ein Feuerwerk nach dem Jüngsten Gericht unter dem Watschenbaum. Es erzählt von Dingen, als gingen sie auf keine Kuhhaut. Schrill, derb, ungeschminkt, rotzfrech und hart wie das Landleben nach dem Zeltfest und vor der Morgenmesse. Eine sehr ernste Angelegenheit, ein sehr großer Spaß!