Abwechselnd erzählen die beiden Schwestern Tatiana und Andra Bucci über ihre traurige Kindheit. Ihre Familie ist aus dem Osten vor den Russen, über Ungarn nach Fiume, damals italienisch, geflohen. Hier wurden beide geboren, behütet von Oma Rosa und Mutter Mira. Der Vater war als Schiffskoch viel unterwegs. Als die Mädchen gerade 4 und 6 Jahre alt waren, veränderte sich ihr Leben dramatisch. Da sie mütterlicherseits Juden waren, wurde die gesamte Familie, ins gesamt 13 Personen, deportiert.
Die Erläuterungen, was dann passierte sind sehr ergreifend. Die beiden Kleinen können das alles gar nicht begreifen, haben auch teilweise Erinnerungslücken und unterschiedliche Erinnerungen. Nicht verwunderlich, wenn man in dem Alter aus dem gewohnten Leben gerissen wird. Und doch haben beide versucht, dieses Grauen aufzuarbeiten, sich Jahrzehnte später auszutauschen. Nicht nur untereinander, sondern auch mit anderen Betroffenen. Beispielgebend möchte ich zwei Tatsachen erwähnen, die mir besonders unter die Haut gegangen sind. Da ist einmal der mutige Kampf ihrer Mutter, dass ihre Kinder das Lager überleben. Sie kam mir wie eine Löwin vor, die ihr Rudel beschützt. Und das zweite ist die Tatsache, dass die beiden Mädchen im Lager nie an den eigenen Tod gedacht haben, obwohl ja das Sterben an der Tagesordnung war und die Leichenpyramiden zum täglichen Bild gehörten. Sie konnten es einfach nicht begreifen, weil sie dafür zu jung waren. Vielleicht auch gut, sonst wären die Erinnerungen noch unerträglicher und die Verarbeitung noch schwieriger gewesen. Überrascht war ich auch, dass die beiden später nie mit ihrer Mutter über die Lagerzeit gesprochen haben.
Den geschichtlichen Rückblick von Umberto Gentiloni Silveri auf die damalige historische Entwicklung Europas und ihr Bezug zur Familie Bucci habe ich zum Teil als Wiederholung der Erzählungen der beiden Frauen empfunden. Insgesamt gebe ich 4 Lese-Sterne.