"Ist der Tag voller Mühsal, wird er uns lang; ist er voll schöner Momente, erscheint er uns kurz, und doch ist das Leben an sich nicht mehr als ein Wimpernschlag."
INHALT:
Irland, 1959: Die 59-jährige Annie gehörte einst zu einer angesehenen Familie in Dublin und bewohnte dort ein wundervolles Haus. Doch nach dem Tod ihrer Schwester wurde sie vor die Tür gesetzt. Was für eine Schmach für eine alleinstehende Frau in ihrem Alter!
Seit mehreren Jahren ist Annie nun bei ihrer zwei Jahre älteren Cousine auf dem Hof im beschaulichen Kelsha untergekommen. Umgeben von Hühnern, Kühen, Hund und einem Pony hat sie dort ihr bescheidenes Glück gefunden. Doch der gesellschaftliche und wirtschaftliche Abstieg macht ihr nach wie vor zu schaffen.
Da sorgen die Kinder ihres Neffen für reichlich Abwechslung, die, wie jedes Jahr, den Sommer bei ihr auf der Farm verbringen. Zwei wahre Energiebündel!
Und dann ist da noch Billy Kerr, der in der Not plötzlich zur Stelle ist. Annie kann ihn eigentlich nicht leiden - hat sie sich etwa in ihm getäuscht?
MEINUNG:
Ursprünglich bin ich durch ein Zitat auf das Werk aufmerksam geworden, da mich der Schreibstil so beeindruckt hat.
Und auch beim Lesen bestätigte sich nach nur wenigen Seiten mein positiver Eindruck von der feinen Sprache, der sich Autor und Übersetzer hier bedient haben.
Ich liebe es, zwischendurch Bücher zu lesen, in denen einem die Sätze regelrecht auf der Zunge zergehen. So war mir die sprachliche Gestaltung wahrlich ein Genuss!
Es geht vor allem zu Beginn der Lektüre eher ruhig und beschaulich zu, was ich zwischendurch ganz gerne mag, da es sehr entschleunigend wirken kann.
Obwohl von der Handlung her eher wenig geschieht, war ich von der sprachlichen Gestaltung her so gebannt, dass ich das Buch nur ungern zur Seite gelegt und lieber die schönen Sätze bewundert habe.
Der Autor schreibt sehr bildlich, atmosphärisch, leicht poetisch (ohne, dass es zu kitschig wirkt), und gibt viele Sinneseindrücke wieder, sodass man sich die Umgebung und auch die Figuren sehr gut vorstellen kann.
Gleichzeitig habe ich viele Pausen beim Lesen gebraucht, da ich manche Sätze zum besseren Verständnis mehrmals lesen musste, aber auch, um den Worten Raum zum Nachklingen zu geben.
Zwar gab es für mich ab und zu Längen, doch die hielten glücklicherweise nie lange an, da immer wieder kleinere Spannungsmomente auftauchten.
Mit Annie befindet man sich als Leser*in an der Seite einer überwiegend liebenswerten Protagonistin, die ihr Herz am rechten Fleck trägt. Mit ihren Sorgen, Ängsten und Wünschen bekommt man einen guten Einblick in ihr Innenleben und ich konnte mit ihr mitfühlen. Es tat mir leid, wie sehr sie unter ihrem buckeligen Rücken zu leiden hatte oder wie sie vor die Tür gesetzt wurde. Ebenso konnte ich ihre Ängste vor der Zukunft gut nachvollziehen.
Das Buch hat anfangs etwas Leichtes, wirkt im Verlauf jedoch sehr melancholisch und schwermütig auf einen.
Besonders gefreut hat mich, dass die Geschichte nicht klischeehaft oder kitschig verläuft, was ich zu Beginn etwas befürchtet hatte. Stattdessen wirkte sie sehr authentisch auf mich.
FAZIT: Eine wunderbare Lektüre, die ich euch sehr ans Herz legen kann, wenn ihr gerne ruhigere Bücher lest und viel Wert auf eine besonders schöne sprachliche Gestaltung legt! 4,5/5 Sterne!