Sag mir, wer ich bin

"Sag mir, wer ich bin" lässt mich zwiegespalten zurück. Was mir gefallen hat: Das Cover ist sowohl farblich als auch thematisch ansprechend und durchaus passend. Eine Frau alleine auf einer Straße - mutmaßlich in Paris. Eine Art Nebel weckt ein unangenehmes Gefühl und die verschiedenen Farben des Schriftzuges suggerieren wie facettenreich ein Mensch im Inneren ist. Der Roman spielt in Kanada und Paris, beides Orte, die ich als Hintergrund sehr mag. Und vor allem das Kanada Mitte des 20.ten Jahrhunderts wird hier interessant geschildert. Das Trauma der jungen Frau ist nachvollziehbar und berührt den Leser. Was mich gestört hat: Leider findet Sally in der ganzen Geschichte keinerlei Unterstützung. Weder in ihrem persönlichen Umfeld, wo ich mehr Verständnis erwartet hatte und über das Verhalten von Eltern und Ehemann enttäuscht war, noch gibt es psychologische Hilfe. Auch wenn die Geschichte in einer Zeit spielt, in der die Therapie-Möglichkeiten noch nicht so vielfältig waren, so war es mir dennoch unverständlich, wie man nach solchen fürchterlichen Erlebnissen ein junges Mädchen, eine junge Frau, so alleine lassen konnte. Wie andere hatte ich nach dem Klappentext einen Thriller erwartet. Etwa wie die Harlan-Coben- oder Joy-Fielding-Bücher. Diese Erwartungen konnte und wollte der Roman nicht erfüllen. Teilweise zog sich die Handlung, da in der Entwicklung von Sally nicht viel Veränderungen passierten. Auch das Finale war etwas enttäuschend. Fazit: 3,5 Sterne. Aus dem Stoff hätte man noch mehr machen können.

Sally aus Montreal, hält sich mit sechszehn Jahren in Paris auf, um ihre Französisch-Sprachkenntnisse zu verbessern. Nach einer brutalen Beinahe-Vergewaltigung durch einen jungen Franzosen, wacht sie in einem Pariser Krankenhaus nach mehrtätigem Koma auf. Körperlich wieder gesundet, kehrt sie in ihre Heimat zurück mit der von großer Angst geprägten Überzeugung, dass dieser Angreifer sie auch dort finden und töten wird. Doch vielleicht kommt sie ihm zuvor? In den folgenden Jahren studiert sie, heiratet sogar den verwitweten besten Freund ihres Vaters, geplagt von Pein, nirgends einen sicheren Ort zu finden. Jahre später erkennt sie auf einer Party ihren vermeintlichen, ehemaligen Angreifer, und es entwickelt sich ein elendes, sehr gefährliches Drama mit überraschendem Ausgang. Interessant in diesem Roman ist auch die Geschichte der kulturell, sprachlich und konfessionell geteilten Stadt Montreal, den Konflikten zwischen französisch- und englischstämmigen Kanadiern. Nachvollziehbar ist für mich die hier porträtierte, zerstörerische Wirkung einer Vergewaltigung, die das sexuelle Verhalten nicht nur des Opfers für das ganze Leben entscheidend prägt, sondern auch alle Beteiligten in diesem Umfeld mehr als erschöpft.