Zwei Jahre ist es her, dass ich im Haut-Quercy wandern war.
Die französische Provinz grenzt im Norden an das Limousin, im Westen an das Périgord, im Süden an die Gascogne und ans Languedoc und im Osten an die Rouergue und die Auvergne.
Die zerklüftete Landschaft wirkt fast wie ein Mittelgebirge. Es ist ein kleiner Kosmos, eine eigenwilligen Landschaft, durchflutet von einem einzigartigen Licht. Manchmal ist die Landschaft fast karg und dem Wetter ausgesetzt. Ich habe Nüsse und Esskastanien gesammelt und das Land dort lieben gelernt.
Das ist die Heimat von Marie des Brebis, der Schaf-Marie. Sie spricht französisch und den okzitanischen Dialekt und hat dem renommierten Autor Christian Signol ihre Geschichte erzählt. Sie erlebte das entbehrungsreiche Leben Anfang des 20. Jahrhunderts, zwei Kriege, die einschneidenden Veränderung der Nachkriegsjahre, hat gelitten, geliebt, ihre Lieben beerdigt und schöpfte ihre Kraft aus der Schönheit der Natur und der einfachen Gesten.
Inmitten dieser traumhaften Landschaft wird sie als Baby ausgesetzt und vom Schäfer Johannes gefunden und grossgezogen. Die Tiere, die Bäume, die Weite des Himmels und die Wiesen waren ihre Lehrmeister*innen. Durch alle schweren Zeiten und durch alle Prüfungen hindurch wählte sie die Zuversicht als Leitstern ihres Lebens. Nie strebt sie nach mehr als dem einfachen Glück und bewahrt sich ihr Vertrauen und ihre Dankbarkeit.
Marie des Brebis erzählt eine inspirierende Lebensgeschichte. Was ist wichtig im Leben? Was bedeutet Heimat? Liegt sie in den Menschen oder sind wir mit unserem Land verwurzelt? Wie gelingt es uns, das Unglück zu verarbeiten und mit dem Leid dennoch zuversichtlich zu leben?
Der Roman scheint ein wenig aus der Zeit gefallen. Marie beobachtet und reflektiert, schaut zurück und hält inne. Die Sprache greift die mündliche Überlieferung auf und führt sie weiter in eine Geschichte über Demut, Achtsamkeit und völlige Hingabe. Maries Geschichte ist wie eine kleine Oase. Die einfachen und dabei wunderbar berührenden Worte entschleunigen, beschwören den Zauber der Landschaft und verweben das Leben einer großherzig Frau mit dem Johannisfeuer, dem Blau des Himmels, dem Duft von Wachholder und den fröhlichen Tänzen auf dem Dorfplatz. Sie haben mich sofort zurückversetzt in diese wunderbare Landschaft.
Was für ein reiches Leben! Voller Weisheit, Vertrauen und dem Wissen, dass alles so ist, wie es sein soll.