Als ich Mein Name ist Estela von Alia Trabucco Zerán begann, wusste ich schnell, dass dies keine gewöhnliche Erzählung werden würde. Estela, die Ich-Erzählerin, spricht aus einer Zelle zu einem unsichtbaren Publikum zu uns. Ihre Stimme ist leise, roh und eindringlich, aber voller Kraft. Ich saß da, las und spürte, wie sie durch jede Zeile hindurch versuchte, gehört zu werden.
Ihre Geschichte ist keine Heldinnengeschichte im klassischen Sinn. Estela verlässt ihr ländliches Zuhause, um in der Stadt zu arbeiten nicht aus Abenteuerlust, sondern aus Not. Sie wird Hausangestellte in einem Ort, der von kalter Kontrolle, und einem fast sterilen Desinteresse an ihrer Menschlichkeit geprägt ist. Alles in ihr wird bewertet: ihr Körper, ihr Auftreten, ihr Schweigen. Und doch ist es sie, die die meiste Fürsorge aufbringt vor allem für das Kind.
Wie subtil Machtverhältnisse wirken, wenn man nicht einmal als Subjekt wahrgenommen wird. Ihre Sprache, so zurückhaltend sie anfangs scheint, wird zu einer Art Widerstand, zu einem letzten Akt des Sprechens, als sie schon längst verurteilt wurde vielleicht juristisch, ganz sicher aber sozial.
Am Ende blieb ich zurück mit Wut und Mitgefühl. Estela ist erfunden, ja. Aber sie steht für viele, die nicht gehört werden.
Fazit:
Ein kompromissloses, kraftvolles Buch über Klassenverhältnisse, Schweigen, Schuld und die Möglichkeit, trotz allem nicht zu verstummen.