Auszug: »Schon Last Call Manila zeigte sogleich die literarische Meisterschaft eines Autors, der nicht zufällig als der profilierteste der Philippinen gilt. Auch Killing Time in a Warm Place , soeben erschienen und wiederum in der fluiden deutschen Übersetzung von Niko Fröba, ist von solch erzählerischer Kraft und muss den Vergleich mit den besten Romanen etwa eines Graham Greene gewiss nicht scheuen. Jose Dalisay genügen weniger als zweihundert Druckseiten, um die Schlängelwege seiner Protagonisten nachzuzeichnen in suggestiven und präzisen Sätzen und Szenen, die epischer Breitpinselei nicht bedürfen, ist man sofort mittendrin, erspürt die Atmosphäre. Die Beschreibung der zynischen und ethisch haltlosen Binnenwelt aus regime-verbandelten Unternehmern, Möchte-gern-Intellektuellen und Militärs zählt dabei zu den Höhepunkten dieser ebenso rasant wie psychologisch plausibel erzählten Geschichte: Derlei war zuletzt in den großen Diktatoren-Romanen lateinamerikanischer Provenienz zu lesen gewesen. « Marko Martin, Deutschlandfunk
»Was den Roman so lesenswert macht, ist seine Sprache. Jose Dalisay, der 1954 geborene Autor, zieht alle Register seiner Erzählkunst, einschließlich Humor und Ironie, um Glanz und Elend des Inselarchipels sinnlich erfahrbar und, dank Niko Fröbas Übersetzung, fu r Außenstehende nachvollziehbar zu machen. « Hans Christoph Buch, Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ
»Die Philippinen zu Beginn der Marcos-Diktatur. Der zaghafte Noel verkehrt in linken Kreisen, wird inhaftiert und macht später Karriere. Jose Dalisay ist ein gewitzter und spitzzüngiger Porträtist seines Landes. Seine Spezialität: gemischte Seelenlagen. Genial! « Katharina Borchardt, Litprom-Bestenliste Weltempfänger, Winter 2024
Wie die Dinge laufen auf den Philippinen, das ist in diesem Roman offensichtlich. Unter dem Diktator Marcos blühen in den 1960er Jahren Vetternwirtschaft und Korruption. Als Studenten gegen das Regime aufbegehren, verhängt Marcos 1972 das Kriegsrecht und lässt die Aufrührer verfolgen. Es ist "Killing Time".
»Die Hölle ist ein sehr warmer Ort. Und das Kriegsrecht war die Hölle für viele von uns. Wir haben versucht zu überleben. Das Regime hat die Opposition im wahrsten Sinne des Wortes beseitigt. Viele Menschen sind gestorben. «
Jose Dalisay war auf der Seite der Aufständischen. Es sind seine Erfahrungen und die seiner Freunde, die in den Roman einfließen. Erzählt wird rückblickend aus der Ich-Perspektive von Noel. Der Sohn eines privilegierten Beamten lässt sich von den Studentenprotesten mitreißen, die in den bewaffneten Widerstand gegen Marcos münden. Wie viele seiner Mitstreiter wird er verhaftet und arrangiert sich schließlich mit den Mächtigen. Am Ende reist er in die Vereinigten Staaten aus. Es ist eine Geschichte von großen Plänen und enttäuschten Hoffnungen, von Schuld und Scham. "Noel, das bin ich", sagt Dalisay und blickt nicht ohne Selbstironie und Sarkasmus auf die Träume seiner Generation zurück.
»Natürlich glaubten wir an Marx, aber genauso selbstverständlich glaubten wir an Gott. Wir waren Filipinos und hatten beinahe unerschöpfliche Kapazitäten in Glaubensdingen. «
Die krude Mischung aus marxistischen und maoistischen Parolen, mit der die radikalisierten Studenten gegen das Regime ankämpfen, hat mit der Lebenswirklichkeit und der Stimmung im Land nichts zu tun. Die einfachen Menschen schütteln über Losungen, die an Wände gesprüht werden und zum Widerstand aufrufen, nur den Kopf. Wenn sie überhaupt lesen können. Der Herrschaftsapparat aber schlägt brutal zurück, auch durch Folter werden die Aufrührer gefügig gemacht.
»Als sie mich aus dem Gefängnis entließen, wusste ich, dass ich nicht sterben wollte. Es war einfacher, mir einzureden, dass ich falsch gelegen hatte, aus jugendlichem Leichtsinn, als dass ich auf der richtigen Seite gekämpft hätte und durchhalten müsste, ein Held sein müsste. «
Einige von Noels Freunden entschließen sich, weiter zu kämpfen und bezahlen dafür einen hohen Preis. Aber die meisten kooperieren mit dem System. Sie werden Banker oder Unternehmer und tun die eigene Vergangenheit als jugendliche Verirrung ab. Noel kommt in einem Ministerium unter, wird jedoch von Schuldgefühlen geplagt. Es sind vor allem die Sprösslinge aus reichen Familien, die sanft landen. Dafür sorgen die einflussreichen Eltern und ein eng geknüpftes Netz aus Korruption und Patronage. Jose Dalisay zeichnet mit wenigen kraftvollen Strichen ein so eindrucksvolles wie entlarvendes Porträt einer zynischen Gesellschaft, die von tradierten Hierarchien und Abhängigkeiten bestimmt wird.
»Wir Filipinos sind gut darin, uns anzupassen, um zu überleben und irgendwann wieder zu kämpfen. Das hat gute und schlechte Seiten. Schlimmstenfalls gibt es nicht nur Opportunismus, sondern auch den Verrat alter Prinzipien. Ich habe das erlebt während des Kriegsrechts und auch danach. Viele meiner Mitstreiter wurden zu Faschisten. Sie wurden korrupt und Teil des Systems. Sie haben dieses System verteidigt und vergessen, von wo sie gekommen sind. «
Jose Dalisay hat den Roman 1986 in den USA zu schreiben begonnen, kurz nach dem Sturz des Marcos-Regimes. Es sei eine Zeit der Hoffnung gewesen auf einen echten Wandel im Land. "Knapp vierzig Jahre später ist das eigentlich Undenkbare geschehen, die Rechte ist zurück", heißt es in einem aktuellen Nachwort des Autors.
Wer das Buch liest, wird weniger überrascht davon sein, dass heute der Sohn von Marcos Präsident ist. Das Buch macht überzeugend deutlich, dass der Aufstand einer Gruppe junger Idealisten nicht genügte, um festgefügte Strukturen und machtvolle Traditionen aufzulösen. Holger Heimann, Saarländischer und Westdeutscher Rundfunk, Schweizer Radio und Fernsehen