In Tanja Kinkels neuem Historienroman "Im Wind der Freiheit" begleiten wir die beiden Frauen Susanne und Louise in ihrem Kampf um die Demokratie. Die Welt aus der sie stammen, könnte nicht unterschiedlicher sein: während Louise eine erfolgreiche Schriftstellerin aus gutem Hause ist, ist Susanne Arbeiterin in einer Fabrik. Als sie bei einem Versuch Gerechtigkeit für eine Freundin zu erlangen ihre Arbeit verliert, ist sie gezwungen als Sexarbeiterin zu arbeiten. Von Anfang an ist ihr Schicksal miteinander verwoben und in den heißen Kämpfen im Jahr 1848 kommen sie ohne einander nicht aus, auch wenn ihre Beweggründe im Kampf nicht die gleichen sind...
Die Autorin verknüpft gekonnt tatsächlich existierende Frauen aus der Geschichte (wie Louise Otto) mit jenen, die aufgrund ihrer "geringen" Stellung nicht in die Geschichtsbücher eingegangen sind. Sehr detailliert lässt sie uns die historischen Geschehnisse von 1848 anhand ihrer Figuren miterleben, die in den deutschen Fürstentümern und in Österreich für eine Republik und ein allgemeines, wenn auch nur für Männer geltendes Wahlrecht kämpfen. Dass auch Frauen ein wichtiger Teil dieses Befreiungskampfes waren, gelingt der Autorin anschaulich aufzuzeigen.
Grundsätzlich ist die Sprache, in der der Roman verfasst wurde, einfach und kurzweilig zu lesen. Allerdings haben die einzelnen historischen Abhandlungen definitiv ihre Längen, was es nicht einfach macht, dem Roman in allen Teilen zu folgen. Zudem ist die Anzahl der unterschiedlichen Charaktere hoch, leider wurde verabsäumt eine Figurenliste anzufügen, an der man sich orientieren hätte können. So wird auch mit keinem Wort erwähnt, welche Charaktere auf wahren, welche auf fiktiven Begebenheiten beruhen. Lediglich eine kurze Quellenliste am Ende lässt die historischen Persönlichkeiten vermuten. Dieses vollkommene Fehlen von Aufklärungsarbeit - nicht einmal anhand eines Nachworts - überlässt es den Lesenden selbst, Fakten zu recherchieren. Das ist für meine Ansprüche an einen Historienroman sehr schwach.
Früher habe ich ganz viele historische Romane gelesen, in den letzten Jahren ist mir die Vorliebe dafür allerdings abhanden gekommen. Grund dafür ist, dass die Romane oft ähnlich aufgebaut sind: im Zentrum steht meistens eine Liebesgeschichte, die Protagonist:innen wollen allesamt einen gesellschaftlichen Fortschritt und haben oft Vorstellungen davon, die so von der Gegenwart geprägt sind, dass mir diese unglaubwürdig erscheinen. Trotzdem schafft es die Figur irgendwie, nach ihren Vorstellungen leben zu können, auch wenn das in der jeweiligen Zeit ziemlich unvorstellbar war. Als ich die Leseprobe zu diesem Buch gelesen habe, dachte ich mir, dass "Im Wind der Freiheit" einen anderen Weg gehen könnte. Leider war dem nicht so und oft ertappte ich mich dabei, gewisse Gedankengänge oder Taten der handelnden Personen als unglaubwürdig zu empfinden. Zudem waren die Liebensgeschichten viel zu vorhersehbar und hätten - für meinen Geschmack - bei den fiktiven Charakteren auch nicht unbedingt sein müssen. Hatte ich mir erhofft, dass vor allem die Frauenfiguren, die sich nach Anerkennung sehnen, Tiefe erhalten, wurde ich dahingehend leider enttäuscht und ihr Wunsch nach Gleichberechtigung wurde nur oberflächlich verfolgt. Letztendlich empfand ich das Lesen als ermüdend.
Mein Fazit: "Im Wind der Freiheit" ist ein klassischer Historienroman, der viel Aufklärungsarbeit über die Freiheitskämpfe des Jahres 1848 liefert, der für meinen Geschmack aber zu klischeebeladen und vorhersehbar ist. Leider fehlt eine Information über historische Persönlichkeiten genauso wie eine Figurenübersicht. Wer etwas über das wichtige Jahr 1848 lernen will, ist hier gut aufgehoben, wenn einem viele Längen, die üblichen Liebensgeschichten und kaum überraschende Charaktere nicht stören.