Gudrun Wieser nimmt ihre Leser in ihrem zweiten historischen Krimi rund um den jungen Ermittler Franz Stahlbaum und seinen Freund, den Arzt Dr. Titus Pyrner in das Graz von 1897 mit. Worum geht es diesmal?
Innerhalb kurzer Zeit werden zwei Männer ermordet, die so scheint es zunächst, so gar nichts miteinander zu haben, wenn da nicht jeweils eine kryptische Botschaft und blaue Glassplitter bei den Leichen zu finden wären ...
Dennoch kommen die Ermittlungen nicht voran, zum einen, weil Franz immer wieder unter dem ehrgeizigen Polizeiagenten Anton Meisl zu leiden hat, der ihm, dem Untersuchungsrichter, regelmäßig Steine vor die Füße wirft, und zum anderen weil die technischen Methoden damals noch nicht vorhanden waren. Franz stützt sich auf das von Prof. Dr. Hans Gross verfasste Handbuch für Untersuchungsrichter.
Als sich wenig später ein Hinweis auf eine Lungenheilstätte im Wienerwald und eine medizinische Geheimgesellschaft, in der auch Titus allmächtiger Vater Mitglied ist, ergibt, wird auch dort ermittelt. Doch der Leiter der Anstalt verschanzt sich hinter der Geheimgesellschaft.
Da die Neugierde ein Hund ist, ruft diese Heimlichtuerei Resi, Franzens Verlobte, und Salome, die Freundin von Titus, die in der Schweiz Medizin studiert, auf den Plan. Sie nehmen in der Lungenheilstätte nicht nur eine Arbeit an, sondern beginnen auch zu ermitteln. Dabei decken sie ungewollt das Geheimnis von Anton Meisl auf und kommen dem Mörder gefährlich nahe.
Meine Meinung:
Grüne Mark und Weißer Tod ist eine sehr gut gelungene Fortsetzung der Geschichte von Franz Stahlbaum und Titus Pyrner, die gemeinsam das Gymnasium besucht haben und nicht wirklich die besten Freunde waren. Das hat sich inzwischen geändert, sind sich die beiden doch ähnlicher als man glaubt. Beide sind durch ihre Herkunftsfamilie geprägt. Der eine, Franz, als Kind einer Arbeiterfamilie, und Titus durch seinen übermächtigen Vater, der sehr wenig von seinem Sohn hält. Immer wieder stolpern sie über ihre zahlreiche Strategien, Fehler zu vermeiden.
Da haben es Resi und Salome schon fast ein wenig leichter. Da man Frauen grundsätzlich nichts zutraut und sie kaum beachtet, pfeifen sie auf Konventionen und unterstützen ihre Männer tatkräftig. Während Franz und Titus zu viel nachdenken, krempeln Resi und Salome ihre Ärmel auf. Dass sie sich dabei auch in Gefahr bringen, um von ihren Männern gerettet werden müssen, rückt das damalige Frauenbild wieder ein wenig zurecht.
Ich bin schon neugierig, wie es mit Franz und Titus sowie Anton weitergehen wird, denn Resi und Salome haben ja das delikate Geheimnis des Polizeiagenten aufgedeckt. Ob Meisl seine arrogante Art, Franzens Herkunft zu erwähnen, aufgeben wird?
Gudrun Wieser Schreibstil lässt sich leicht und flüssig lesen. Die Methoden zur Aufklärung sind sehr gut recherchiert. Den einzelnen Kapiteln sind, wie schon im ersten Band dieser Reihe (Geheimnisse der Grünen Mark), Zitate aus dem 1893 von Professor Dr. Hans Gross (1847-1915) herausgegebenen Handbuch für Untersuchungsrichter als System der Kriminalistik. vorangestellt. Professor Gross ist der erste Kriminologe und hat einen Lehrstuhl an der Uni Graz begründet. Ich finde es immer spannend, mit welchen einfachen Mitteln die Ermittler von damals auskommen mussten. Es wird noch bis 1900 dauern, bis die Anwendung der Daktyloskopie auch in der Donaumonarchie eingeführt wird. Ihren Durchbruch wird sie dann mit der Erfindung von Rudolf Schneider, der die sogenannte Wiener Folie zum Patent angemeldet hat, erringen.
Der Titel passt sehr gut zur Handlung, denn die Steiermark wird ob der vielen Wälder auch heute noch Grüne Mark und die Lungenkrankheit Tuberkulose Weißer Tod oder Wiener Krankheit genannt. Obwohl der Erreger bereits 1883 von Robert Koch entdeckt worden ist, gilt sie als nicht heilbar. Zeitweise waren in den Wiener Spitälern, auf Grund der prekären Wohnsituation der (Wiener) Bevölkerung, mehr als 50% der Betten mit TBC-Patienten belegt. Die Luftkuren in Sanatorien z.B. in der Schweiz, die heilen sollten, können sich nur reiche Kranke leisten. Doch auch dort sterben mehr als 25% der Erkrankten. Sie werden, wie hier im Buch erwähnt zum Abschied entlassen - gelten also als austherapiert. Erst die umfassende Vorsorge und Früherkennung (Lungenröntgen in Schulen und Fabriken, Tuberkulin-Test) sowie den Einsatz von Antibiotika dämmen die Krankheit ein. Die Abschaffung des Gesundheitswesen in der Stadt New York in den 1970er bringt die TBC zurück. Was aktuell in den USA mit dem Gesundheitswesen, in dem ein Impfgegner und Ignorant den Vorsitz hat, geschieht, lässt Böses ahnen.
Doch zurück zu diesem Buch - ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt. Manchmal musste ich über den Tatendrang von Resi und Salome schmunzeln Ich hoffe auf eine Fortsetzung dieser Reihe.
Fazit:
Gerne gebe ich diesem historischen Krimi, der in der Donaumonarchie spielt 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Zudem rate ich, den ersten Band Geheimnisse der Grünen Mark zu lesen.