Kristin Vallas neuer Buch 'Ein Raum zum Schreiben', aus dem Norwegischen Übersetzt von Gabriele Haefs, ist im März 2025 im mare Verlag erschienen und erstreckt sich auf etwa 270 Seiten.
Vom Stil an Rebecca Solnit, Deborah Levy (insbes. Real estate) oder partiell an Melissa Febos erinnernd, ist auch dies ein Werk mit einer weiblichen Protagonistin, die Stärke, Unabhängigkeit und eigene Schaffenskraft entweder bereits verkörpert oder im Verlaufe ihres Daseins und Handeln anstrebt. Wie so viele andere Autor*innen fokussiert sich auch dieses Werk auf die Frage, wie Frauen eine zentrale Rolle und angemessenen Raum in ihrem eigenen Leben einnehmen können, und spezifisch wie sie Raum zum Schreiben finden können.
Die Autorin Kristin Valla, die hier autobiographisch (ggf. mit autofiktionalen Elementen?) zu schreiben scheint, ist auf der Suche nach ihrem eigenen Raum einem, in dem Sie nach dem Mutterwerden und -sein und den damit einhergehenden veränderten Lebensstrukturen und -notwendigkeiten wieder ihre schreibende und schriftstellerische Arbeit aufnehmen kann: Warum haben Kinder eigene Kinderzimmer, aber erwachsene Frauen keine eigenen Räume in eigens bewohnten Wohnräumen? Ihre Suche nach einem eigenen Raum führt Valla dabei ins malerische, zugleich bescheidene Südfranzösische Gemeinde Roquebrun, in der nur knapp 600 Einwohner*innen leben. Dort findet und erwirbt sie ein typisch südfranzösisches Häuschen, allerdings sehr heruntergekommen und stark renovierungsbedürftig. Ihr Verhältnis zu dem Haus ist dabei ein organisches, liebevolles: Das Haus ist für sie nicht einfach nur ein Gemäuer, welches ihr als ein Dach über dem Kopf fungiert, sondern scheint als eine eigene Entität, welche verstanden und welcher Liebe und Aufmerksamkeit entgegengebracht werden muss, um das eigentümliche innere Wesen behutsam herauszuschälen und nicht nur in einem nach Gutdünken gestalteten Haus zu wohnen, sondern bedacht in Gemeinschaft mit dem Haus zu leben.
Über das ganze Buch hinweg stellt Valla sich und den Lesenden kluge und kontemplative Fragen nach der Wirkung von Raum und seiner Ausgestaltung bzw. Einrichtung auf das Gefühl während des Aufenthalts, Fragen nach dem, was man braucht, um Kreativität oder überhaupt Kontemplation ausüben zu können. Dies sind nicht nur interessante oder literarisch wirksame, sondern soziale und politische Fragen: Schon Virginia Woolf griff diese Fragen vor knapp einem Jahrhundert im Jahr 1929 in ihrem bedeutenden wie berühmten "Ein Zimmer für sich allein" auf, in welchem sie verfechtet, dass und warum eine Frau zum Schreiben über Geld und ein eigenes Zimmer verfügen muss. Alles ist politisch, das (vermeintlich) Private ist politisch, und so auch die Verteilung von Räumen, ob nun gesamtgesellschaftlich auf der Makro-Ebene oder innerhalb einer Kernfamilie auf der Mikro-Ebene. Schreiben ist politisch, und ebenso die Voraussetzungen dafür.
Dies macht Valla im Verlaufe des Buches auch immer wieder durch Exkurse kenntlich, die literaturhistorisch verschiedene Autorinnen der letzten Jahrhunderte und ihre Schreibräume oder Häuser in den Blick nehmen und wie der äußere Raum den Schreibprozess wie das Schreibprodukt beeinflusst haben.
Eines der besten und wundervollsten Bücher, welches ich in der ganzen letzten Zeit gelesen habe!