Dornenhecke von T. Kingfisher ist kein typisches Dornröschen-Märchen, sondern eine kluge, atmosphärische Neuinterpretation voller Herz, Witz und leiser Melancholie. Im Mittelpunkt steht Krötling, eine ungewöhnliche Heldin, die von Feen großgezogen wurde und dadurch zwischen zwei Welten steht.
Die Autorin schafft es, vertraute Märchenelemente in ein neues Licht zu tauchen. Hier gibt es keine glitzernde Prinzessin und keinen makellosen Retter, sondern Figuren mit Ecken und Kanten, die Fehler machen und trotzdem weitergehen. Die Feenwelt ist zugleich magisch und gefährlich, das Setting detailreich und poetisch beschrieben. Krötlings Andersartigkeit, ihre Unsicherheit und gleichzeitig ihre Stärke machen sie zu einer Figur, die sofort berührt und fasziniert. Besonders stark ist auch die Stimmung, eine Mischung aus sanftem Grusel, feinem Humor und stiller Traurigkeit, die perfekt zu Kingfishers Stil passt. Der Erzählton ist angenehm unaufgeregt und trotzdem fesselnd. Manche Passagen bleiben bewusst rätselhaft, was der Geschichte etwas Geheimnisvolles verleiht. Die Welt birgt viel Potential und hätte sicherlich auch als Roman funktioniert mit mehr Tiefe oder Raum für die Nebenfiguren.
Die Kurzgeschichte ist ein modernes Märchen, das sowohl zum Träumen als auch zum Nachdenken einlädt. Es zeigt schön, dass Mut oft leiser klingt, als man denkt, und dass selbst Dornen Wege zum Licht bahnen können.