Ein Roman über Abschied, Neuanfang und das leise Wiederentdecken des eigenen Lebensglücks getragen von einer berührenden Familiengeschichte und atmosphärischem Italien-Flair.
Inhalt:
Lucia ist 40, frisch getrennt, und ihr Leben droht aus den Fugen zu geraten. Die Ehe liegt in Trümmern, die Teenagertöchter pubertieren und auch finanziell steht sie unter Druck. Als ihr Vater Alberto mit Lucias pflegebedürftigem Bruder Gianni alleine nach Italien aufbricht, um den letzten Wunsch der verstorbenen Mutter zu erfüllen, bleibt ihr keine Wahl: Sie folgt ihnen mitsamt Töchtern und altem Auto. Alberto hat die Asche seiner geliebten Christina in einer Kaffeedose bei sich und will sie in ihrer sizilianischen Heimat verstreuen ein ungewöhnlicher, stiller und gleichzeitig kraftvoller Akt des Abschieds.
Sprachlicher Eindruck & Entwicklung:
Der Einstieg fiel mir nicht leicht: Die ersten Kapitel wirkten auf mich hölzern, fast distanziert, und ich wurde nicht recht warm mit der Geschichte. Lucias Alltag in Freiburg war zwar glaubhaft geschildert, doch es fehlte an sprachlicher Tiefe, an Bildern, an emotionalem Zugang. Ich vermisste Atmosphäre bis der Roadtrip beginnt.
Mit dem Aufbruch nach Italien ändert sich alles. Nicht nur die Figuren nähern sich einander an Lucia ihren Töchtern, Alberto seinem Sohn, Lucia wieder ihrem Vater , sondern auch der Ton des Buches verändert sich spürbar. Die Sprache wird wärmer, eindringlicher, oft berührend, manchmal mit feinem Humor durchzogen. Die Beschreibungen der Orte sind plötzlich lebendig, die Figuren vielschichtig und genau ausgearbeitet. Tabea König gelingt es, die innere Bewegung der Figuren durch die sprachliche Gestaltung mitzutragen.
In Rückblenden erfahren wir von Albertos Kindheit im Waisenhaus, seiner Zeit als Soldat, und wie er Christina begegnet einer Frau, die seine Welt still und endgültig verändert. Besonders eindrücklich ist der Moment, in dem Alberto sie zum ersten Mal sieht:
In einer Welt, die sich immer schneller bewegt, wird vieles nicht richtig wahrgenommen. (...) Und dann gibt es Momente wie diesen, an denen die Zeit ihren eigenen Gesetzen zu folgen scheint. Sie verlangsamt sich, die Umgebung verschwimmt, Lichter verblassen, und der ganze Fokus richtet sich auf die eine Person in einem berstend vollen Raum. Ein Bild, das sich Alberto mit aller Schärfe seiner Sinne für die Ewigkeit einprägte. (S. 166)
Diese Liebe bleibt spürbar selbst über den Tod hinaus. Doch erst auf der Reise mit seinem Sohn Gianni beginnt Alberto wirklich Abschied zu nehmen. Ein weiteres Zitat bringt das in schlichter Schönheit auf den Punkt:
Eines Tages werden die schönen Erinnerungen heller denn je erstrahlen. Und du wirst dich an das Gute im Leben erinnern und von Herzen sagen können, dass eure Zeit schön war. (S. 230)
Ein Satz, der nicht nur Alberto Trost spendet, sondern auch dem Leser lange nachklingt.
Fazit:
"Amore in Italiano" braucht etwas Zeit, um sein Potenzial zu entfalten doch genau darin liegt seine Stärke. Was zunächst hölzern beginnt, wird mit jedem Kilometer dieser ungewöhnlichen Familienreise intensiver, berührender und stimmiger. Die Figuren sind fein gezeichnet, die emotionale Entwicklung glaubhaft, die Orte eindrucksvoll eingefangen.
Ein warmherziger Roman über Familie, Verlust und zweite Chancen mit sprachlicher Tiefe, liebevollen Figuren und dem Zauber Italiens.