Schon zu Beginn des Romans gerät der Leser in eine Atmosphäre, die dicht und greifbar ist. Das Rheinland im Jahr 1919 erwacht zwischen Kriegserinnerungen und neuen Hoffnungen. Inmitten dieses Wandels stehen Thora und Hannes Bernrath. Sie entstammen einer wohlhabenden Fabrikantenfamilie und müssen sich in einer Zeit behaupten, in der alte Sicherheiten verschwinden und neue Wege gesucht werden.
Susanne Goga schreibt mit feinem Gespür für Zwischentöne. Ihre Sprache ist klar, lebendig und zugleich ruhig. Sie verwebt historische Ereignisse und gesellschaftliche Veränderungen geschickt mit der persönlichen Geschichte der Geschwister. Dabei entsteht ein authentisches Bild jener Jahre, das sich ganz natürlich in die Handlung einfügt.
Thora ist eine junge Frau mit Mut und Träumen. Während sie in Düsseldorf Schauspiel studiert, entdeckt sie, dass ihr Bruder Hannes nach dem Krieg innerlich zerrissen ist. Als er plötzlich unter Mordverdacht gerät, schweigt er beharrlich. Die Entdeckung seines markierten Gedichtbands von Eichendorff führt Thora auf eine Spur, die weit über ihre Familie hinausreicht. Das Rätsel um Hannes bringt Spannung und Intensität in die Handlung. Besonders stimmungsvoll sind die Rückblicke, die Vergangenes lebendig machen und den Figuren mehr Profil geben. Das Leben nach dem Krieg wird greifbar, mit seinen Hoffnungen, Enttäuschungen und dem tastenden Blick in eine neue Zukunft.
Jede Szene wirkt durchdacht und trägt zum Ganzen bei. Nichts erscheint überflüssig, keine Wendung ist zu viel. Das Zusammenspiel von Gefühl, Geschichte und Spannung bleibt bis zuletzt stimmig.
Mit Die wilden Jahre ist Susanne Goga ein eindrucksvoller historischer Roman gelungen, der zeigt, wie eng Hoffnung und Verzweiflung, Mut und Angst miteinander verwoben sind, und zugleich ein Stück deutscher Geschichte lebendig werden lässt. Eine fesselnde, fein erzählte Geschichte über Loyalität, Liebe und den Mut, sich selbst treu zu bleiben.
Fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung für alle, die lebendige historische Romane schätzen, die gleichermaßen Herz und Verstand ansprechen.