Auf den ersten Blick wirkt das Dorf genau so, wie man es sich für einen herbstlichen Romance-Roman wünscht: idyllisch, fortschrittlich, herbstlich dekoriert das Setting stimmt definitiv. Und ja, man liest das Buch an sich auch gerne. Denn der Schreibstil von Kyra Groh ist grundsätzlich angenehm und flüssig, auch wenn er sehr beschreibend ist und sich dadurch stellenweise etwas verzettelt. Doch im Fokus der Geschichte steht eine kratzbürstige Protagonistin und ihre Bindungsangst-geführte aufkeimende Liebesgeschichte zu James, die insbesondere an den Nebenschauplätzen an Tiefgründigkeit vermissen lässt.
Insbesondere mit Jude als Protagonistin bin ich nur sehr langsam warm geworden, weil sie mir persönlich oft ziemlich auf die Nerven gegangen ist. Ihre Kratzbürstigkeit gegenüber dem Love Interest James, ihre Bindungsängste und ihr ADHS wirkten auf mich zwar realistisch angelegt, blieben aber teilweise schwer nachvollziehbar vor allem, weil wichtige Themen wie Diagnose oder Umgang damit kaum reflektiert wurden. Trotzdem fand ich es schön, die Entwicklung zwischen Jude und James so intensiv mitzuerleben.
James wirkte anfangs fast zu sehr wie der klassische Sunshine-Golden-Retriever-Typ, bekam im Laufe der Geschichte aber etwas mehr Tiefe. Auch wenn er sehr stark körperlich auf Jude fokussiert war (teilweise zu stark), war er immerhin nicht eindimensional-dümmlich und ließ sich nicht alles gefallen. Die Annäherung der beiden fühlte sich insgesamt authentisch an nur emotional hat sie mich nicht ganz abgeholt, weil beide Figuren bis zuletzt sehr verschlossen blieben. Hierdurch wurde es auch sehr schwer mit dem cozy-Lesegefühl.
Was mich leider immer wieder aus der Geschichte gerissen hat, war das massive Name-Dropping. Lululemon, Red Wings und Co. fühlten sich unnötig und aufgesetzt an und haben mich mehr genervt als bereichert. Ähnlich ging es mir mit dem Humor: Vieles wirkte zu sehr auf das muss jetzt lustig sein getrimmt, besonders Judes Vergleiche waren manchmal eher ungelenk als witzig.
Auch mit dem Cozy-Vibe hatte ich meine Schwierigkeiten. Obwohl das Setting herbstlich ist, kam bei mir nicht dieses klassische Gilmore-Girls-auf-der-Couch-Gefühl auf. Das ist an sich nicht schlimm der Roman hat dafür mehr Inhalt als viele reine Herbst-Vibes-Romances aber ich hatte mir dennoch etwas mehr Dorfleben, Wärme und Gemeinschaft gewünscht.
Ein großes Manko waren für mich die Nebenfiguren. Gerade Judes Schwester, Eleanor und auch andere Dorfbewohner hätten viel mehr Raum verdient. Beziehungen und Konflikte wurden angerissen, aber nicht wirklich vertieft. Besonders enttäuschend fand ich, dass es keinerlei echte Auseinandersetzung mit Judes Eltern gibt keine Konfrontation, kein Aufarbeiten. Dass sie einfach alles schluckt und dann dauerhaft im selben Dorf leben soll, fühlte sich für mich nicht stimmig an.
Trotz aller Kritik gab es auch viele schöne, amüsante Momente: das Pubquiz, einzelne Dialoge, die Szene mit James Eltern im Café, gerade zum Ende hin hatte ich wirklich Spaß beim Lesen, nachdem ich mich auf den Stil der Autorin eingelassen hatte.
Unterm Strich bin ich hin- und hergerissen: Pumpkin Spice Latte Desaster ist gut geschrieben, unterhaltsam und hat Charme, verschenkt aber durch fehlende Geradlinigkeit, zu wenig ausgearbeitete Nebenfiguren und ausbleibende Konfliktauflösungen einiges an Potenzial.