Seit einigen Jahren werden die Humanität und moralische Integrität von Kants Denkens in Frage gestellt. Mit dem Nachlasswerk H. -F. Fuldas liegt dagegen eine dezidiert helle Kant-Deutung vor. Martin Welsch rekonstruiert diese Position des Kantischen Anarchismus und würdigt ihre verfassungsrechtliche Aktualität.
Seit einigen Jahren stehen die dunklen Seiten der Philosophie Kants im Brennpunkt der Aufmerksamkeit. Nicht nur beschädigen Rassismus-Vorwürfe das Ansehen Kants, auch die Humanität und moralische Integrität seines Denkens wird in Frage gestellt. Mit dem Nachlasswerk Hans Friedrich Fuldas liegt dagegen eine dezidiert helle Kant-Deutung vor. Kant wird als radikal herrschaftskritischer Denker erschlossen, der im Staat keine unbedingte Notwendigkeit sieht. Martin Welsch rekonstruiert diese Position des Kantischen Anarchismus und würdigt ihre verfassungsrechtliche Aktualität. Zugleich zeigt er den Preis auf, den die helle Kant-Deutung zu zahlen hat. Die Abspaltung der inhumanen Seiten der Kantischen Philosophie muss die Wiederkehr des Verdrängten in Kauf nehmen. Welsch sieht in Kant stattdessen einen Denker der Dialektik der Aufklärung avant la lettre. Kants späte Rechtslehre handelt vom Zusammenhang der hellen und dunklen Seiten einer nur vermeintlich reinen Herrschaftsvernunft.