"Morgen, morgen und wieder morgen" ist ein unantastbares Highlight für mich, sodass ich mich EXTREM auf diesen Roman von Gabrielle Zevin gefreut habe, um es mal vorsichtig auszudrücken. Wie ich dann gemerkt habe, handelt es sich um die Neuauflage eines bereits 2014 erschienenen Romans und damit um ein frühes Werk der Autorin.
Umso begeisterter bleibe ich zurück. Ja, die Geschichte kann als sprunghaft bezeichnet werden und sie geht auf Figurenebene nicht annähernd so tief wie andere Bücher. Doch es muss meiner Meinung nach einfach anerkannt werden, wie Zevin mit präzisen und wenigen Worten eine maximal dichte, emotionale Geschichte schrieben kann.
Zum Inhalt kann ich kaum etwas sagen, ohne zu spoilern. Deshalb beschränke ich mich auf meine Lobpreisung von Sprache und Stil. Zevin kann einfach Figuren schreiben! Ob nun super tiefgründig oder eher oberflächlich - trotz meiner üblichen Ansprüche an Figurenzeichnungen bin ich hier vollends zufrieden. Die Figuren vereinen Liebenswürdigkeit mit trockenem Humor und klaren Kanten. Sie sind auf ihre Art besonders und herzensgut, erinnern schemenhaft an die Figuren Mariana Lekys, treffen meinen persönlichen Geschmack aber deutlich besser.
Die Geschichte verdient ein aufmerksames Lesen, wenngleich sie so gut geschrieben ist, dass mensch schlicht durchrauscht. Denn Zevin bindet die Details am laufenden Band ein und bedient sich über Kurzrezensionen des Protagonisten A.J. zu Beginn jedes Kapitels wiederholt eines Foreshadowings, das sie einfach auf beeindruckende Art zu meistern weiß. Alle Hints werden zuverlässig verwendet und ergänzen die Geschichte im Voraus oder Rückblick.
Es kann sicherlich kritisiert werden, dass viele Handlungselemente nicht ausgedehnt untersucht werden und bestimmte Umstände einfach so zu entstehen scheinen. Gleichzeitig erkenne ich hier aber die Liebe A.J.s zu Kurzgeschichten wieder. Auch, wenn Zevins Roman natürlich keine ist, greift sie stilistisch auf bestimmte Elemente zurück und schreibt so eine detailbepackte Geschichte auf 250 Seiten, die mich lachend und weinend zurückgelassen haben.
Zevin bleibt für mich eine literarische Queen. Sie hat mit dieser Geschichte gezeigt, dass sie sowohl bündige als auch umfangreiche Bücher mit äquivalenter Emotions- und Detailsdichte versehen kann. "Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry" ist inspirierend auf eine völlig pathoslose Art und neben einer Liebeserklärung an Literatur sowie Buchläden für mich einfach eine ganz, ganz feste Umarmung.