Der amerikanische Re-Education-Diskurs der 1930er und 1940er Jahre war geprägt von der Frage, wie mit dem nationalsozialistischen Deutschland nach dem Krieg umzugehen sei. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Arbeiten Kurt Lewins, seine Theorie geplanten sozialen Wandels und die Demokratie-Experimente vom Ende der 1930er Jahre. Oliver König zeigt, welche Bedeutung angewandter Sozialpsychologie, Gruppendynamik und Psychoanalyse für eine in Deutschland schrittweise entstehende demokratische Kultur zukommt. Die Gruppe wird dabei mit hohen Ansprüchen verknüpft: Sie soll gleichermaßen Produktivität steigern, Zusammenhalt stiften und individuelle Freiräume schützen. Anhand der beruflichen Lebenswege u. a. von Tobias Brocher, Alf Däumling, Magda Kelber und Horst-Eberhard Richter führt König anschaulich vor Augen, wie Vergangenheitsbewältigung untrennbar mit der Profilierung von Sozial- und Humanwissenschaften verbunden ist - trotz der mitunter komplexen Konfliktlinien und Paradoxien, die diesen Wandel begleiten.
Inhaltsverzeichnis
1 Einfu hrung: Perspektiven und Fragestellungen
2 Die Entstehung des Re-Education-Ansatzes in den USA und seine Umsetzung im Nachkriegsdeutschland
2. 1 »Der Sonderfall Deutschland« Kurt Lewin und die Probleme kulturellen Wandels
2. 2 »Ist Deutschland unheilbar? « Re-Education in der amerikanischen Diskussion der 1940er Jahre
2. 3 »Es ist die eigentliche Gruppendynamik, die zählt« Kurt Lewin und die Demokratie-Experimente
2. 4 »Rekonstruktion aller Muster deutschen Lebens« Die fru he Re-Education-Politik der Nachkriegszeit
2. 5 »Wir sind sehr misstrauisch gegenu ber Gruppen, weil wir davon genug gehabt haben« Deutsche in Amerika und Re-Education in Aktion
2. 6 »Der Sieg des demokratischen Herzens u ber den analytischen Verstand« Autokratie und Demokratie: Die Demokratie-Experimente 20 Jahre später
2. 7 »Demokratisches social engineering ist demokratisch eher in seiner Methode als in seinen Zielen« eine Erweiterung der Perspektive als Abschluss
3 Die Anfänge angewandter Sozialpsychologie und Gruppendynamik in der Bundesrepublik
3. 1 Die junge Republik zwischen Vergangenheitsbewältigung und Modernisierungsprozessen
3. 2 »Es gelang uns nie, irgendwo fest etatisiert zu werden« Magda Kelber und die Gruppenpädagogik von Haus Schwalbach
3. 3 »Das Problem der Fu hrung im Betrieb ist das Problem der Fu hrung in der Demokratie« Gruppendynamik zwischen Demokratisierung des Arbeitslebens und Produktivitätsversprechungen
3. 4 »Der Mensch im Plural Die Kulturerfindung des Menschen« Peter Hofstätter und die Wiederkehr des Verdrängten
3. 5 »[ ] bestehen grösste Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit der Methode in Deutschland« Schule und Hochschule und die gescheiterte Institutionalisierung der Gruppendynamik
3. 6 »In dieser Epoche den Willen zu einem konstruktiven Optimismus beizubehalten und zu ermutigen blieb schwer« Tobias Brocher auf transatlantischer Wanderschaft
3. 7 »Meine Norm ist in einem empathischen Sinne Parteilichkeit« Walter Giere und Gruppendynamik als politische Bildung
3. 8 »Persönlichkeit ist stets Struktur und Prozeß zugleich« Adolf Martin (Alf) Däumling zwischen Verharren und Aufbruch
3. 9 »Es ging damals einfach bunt zu. Alles war im Werden« Professionalisierung als Politik der Entpolitisierung
3. 10 »Sie sollten mich nie mehr ganz bekommen« Horst-Eberhard Richter und das Abarbeiten an der Vergangenheit
4 Re-Education 2. 0: Angewandte Sozialpsychologie in der DDR und nach der Wende
4. 1 »Wir wollen auf unser 68 nicht zwanzig Jahre warten wie ihr«: 1945 1968 1989, ihre unterirdischen Verbindungen und der Streit um Re-Education
4. 2 »Die Vereinigungspolitik agiert so, als hätte ihr der Behaviorismus sein Menschenbild abgetreten« Gegensätzliche Vergangenheitspolitiken
4. 3 »Realsozialistische Doppelkultur« Marxistische Sozialpsychologie
4. 4 »Sozialpsychologische Optimierung von Gruppenleistungen« Sozialpsychologisches Training
4. 5 »Urerlebnis Gruppenwunder« Gruppenpsychotherapie in der DDR
4. 6 »Die hohe Schule der Anpassung« Walter Giere auf Lehrerfortbildung in Thu ringen
5 Schlussbemerkung: Thesen und Fragen zur Sozialpsychologie sozialen Wandels
5. 1 1968 als Chiffre fu r sozialen Wandel
5. 2 Das Alte im Neuen
5. 3 Angewandte Sozialpsychologie im sozialen Wandel
6 Anhang
6. 1 Forschungslage und Darstellungsprobleme
6. 2 Recherchen und Materialien
6. 3 Danksagung
7 Literatur
8 Namenregister