"Ein Deutscher stößt mich in den Garten und ich laufe. Ich sehe nichts, nur das Schwarz der Nacht und das Weiß des Schnees. Hinter mir höre ich Schreie, ein Schuss fällt." (Buchauszug)
Aachen 2013:
Noras Ehe steht vor einem Scherbenhaufen. Nach der Trennung möchte Nora einen Neuanfang wagen, doch dann stirbt auch noch ihre geliebte Großmutter. Beim Durchstöbern ihres Hauses findet sie auf dem Dachboden eine alte Holzschatulle. In diesem befindet sich ein Ausweis mit einem völlig fremden Namen und einem Davidstern. Voller Fragen, was es mit dieser Schatulle auf sich hat, begibt sich Nora auf Spurensuche. Bei ihrer ersten Spur in Paris findet sie wenig über ihre Großmutter heraus. Ihre nächste Spur führt sie zusammen mit dem Journalisten Andres Schwarz nach Belarus. Was sie dort über ihre Großmutter erfährt, erschüttert Nora. Nun kann sie auch verstehen, warum ihre Großmutter so ernst war und nie etwas über ihre Vergangenheit erzählt hat. Was sie über Großmutter Xannas (Hannah) Vergangenheit erfährt, hilft ihr bei ihrem Neustart in ein neues Leben. .......
Meine Meinung:
Niemals hätte ich unter diesem Cover eine so schockierende und berührende Geschichte vermutet. Dieses Buch ist in zwei Zeitebenen aufgebaut. Bei der einen nimmt uns die Autorin mit in die Gegenwart Noras, der Enkelin Hannahs. Ich brauchte ein bisschen, um mit Nora warm zu werden. Ich erlebe ihre Eheprobleme, die im weiteren Verlauf in die Spurensuche nach den Wurzeln ihrer Großmutter münden. Eigentlich war für alle klar, dass sie aus Paris stammt. Doch schnell muss Nora feststellen, dass diese Geschichte nur die halbe Wahrheit ist. Hier tauchen wir dann in den zweiten Handlungsstrang ein, bei dem wir Hannahs weiteres Leben verfolgen. Geboren und aufgewachsen ist sie nämlich nicht in Paris, sondern unter dem Namen Hannah in Belarus. Ihre große Familie bestand aus Mutter, Vater, Großvater und den fünf Kindern. Da sie jüdischen Glaubens sind, müssen sie durch den Vormarsch der Nazis in Belarus immer mehr mit Einschränkungen leben. Bis eines Tages die gesamte Familie von den Deutschen abgeholt wird. Hannah ist an diesem Tag die einzige, die diese Exekution ihrer Familie überlebt. Dabei beschönigt die Autorin nichts und schildert ganz drastisch, wie bestialisch die Nazis mit Hannahs Familie umgingen. Gerade diese Schilderungen und was Hannah noch in ihrem weiteren Leben mitmachen muss, das berührt mich sehr. Fortan lebt sie unter einer Gruppe Partisanen im Wald und nennt sich von da an Xanna. Ein Name, den sie selbst später nie mehr ablegen wird. Was Hannah alles im Laufe der Zeit ertragen muss, das kann kaum ein Mensch in einem Leben aushalten. Von daher kann ich gut nachvollziehen, warum sie um ihr altes Leben eine Mauer gebildet hat und nun ein zweites Leben führt. Bei Nora hatte ich das Gefühl, als ob man Hannahs Last, die über der Familie schwebt, spüren würde. Denn selbst das Schweigen bewirkt ja oft etwas innerhalb einer Familie. Erst als sie die ganze Wahrheit über ihre Großmutter erfährt, kann sie ihr Leben wirklich frei beginnen. Für mich war dieses Buch, nach "Poppy" und "Overkill-Tod der Schwalben, eine der emotionalsten Geschichten. Wie schnell solche Erlebnisse und der Hass auf Juden wieder in den Fokus unserer Neuzeit rücken, sehen wir ja heutzutage. Von daher sollte man solche Lebensberichte niemals vergessen. Von mir gibt es 5 Sterne.