Das Hörbuch "Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104" aus der Feder von der Autorin Susanne Abel wird gesprochen von Vera Teltz. Ihre Stimme hat eine eindrucksvolle Präsenz und bringt die Emotionen der Charaktere wunderbar zur Geltung. Sie fügt sich harmonisch in die Erzählung ein und schafft es, die Dramatik und die innere Zerrissenheit der Protagonisten lebendig zu machen.
Es handelt sich um einen historischen Roman, der die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs thematisiert, in der auch Gewalt und Mißbrauch in Waisenhäuser mitte des 20. Jahrhunderts eine große Rolle spielt.
Kurz zum Inhalt: Das Hörbuch erzählt die Geschichte eines kleinen Jungen, der am Ende des Zweiten Weltkriegs mit einem Kindertransport aus Danzig in Deutschland ankommt und sich selbst und seine Herkunft nicht kennt. Er bekommt den Namen Hartmut und wächst in einem katholischen Kinderheim auf. Dort trifft er die Kriegswaise Margret. Die beiden bilden eine enge Bindung und unterstützen sich gegenseitig. Als sie erwachsen sind, versuchen sie die Schrecken ihrer Kindheit zu vergessen. Doch die Auswirkungen von Züchtigung und Mißbrauch und das Schweigen über das Erlebte prägt auch Tochter Sabine, Enkelin Julia und Urenkelin Emily. ...
Susanne Abels Schreibstil ist einfühlsam und eindringlich. Sie schafft es, die Emotionen der Figuren auf fesselnde Weise zu vermitteln. Die Geschichte wird aus zwei Zeitebenen erzählt. Zum einen in der Gegenwart, ab dem Jahr 2006, wo die kleine Emily bei ihren Urgroßeltern Hardy (Hartmut) und Margret aufwächst. Zum anderen in der Vergangenheit, ab dem Jahr 1945, als der kleine Hardy mit einem Kindertransport aus Danzig nach Deutschland kommt und in einem katholischen Kinderheim heranwächst. Dort trifft er auf die ältere Vollwaise Margret. Die Autorin wechselt sanft zwischen den verschiedenen Zeitebenen, um die Entwicklung der Charaktere und die Auswirkungen ihrer Vergangenheit zu verdeutlichen. Erzählt wird aus mehreren Perspektiven, die sich abwechseln.
Diese Familiengeschichte ist fiktiv, jedoch greift die Autorin Susanne Abel auf viele Tatsachenberichte zurück. Dies hat mich tief erschüttert, wie damals mit Waisenkindern umgegangen wurde und das sie als Versuchskaninchen für die Pharmaindustrie herhalten mussten. Über die vielen Mißbräuche der kirchlichen Einrichtungen hat man ja schon viel gehört.
Insgesamt hat mir "Du musst meine Hand fester halten" sehr gut gefallen. Die gelungene Kombination aus Susanne Abels fesselndem Schreibstil und der emotionalen Lesung von Vera Teltz hat mich von Anfang bis Ende in den Bann gezogen. Die berührende Geschichte bleibt lange im Gedächtnis und regt zum Nachdenken über die Folgen des Krieges an. Das Schweigen über das Erlebte und die Folgen im Umgang mit anderen Menschen sind greifbar. Auch meine Großeltern haben nicht viel erzählt über die damalige Zeit. Das Nachwort von Susanne Abel, die die historischen Bezüge einordnet und die Recherche von vielen Tatsachenberichte zeigt, gibt an, wieviel Wahrheit auch in dieser Geschichte steckt. Es war ein packendes und emotionales Hörerlebnis, das ich gerne weiterempfehlen werde.