1961: Paula arbeitet als Ärztin an einer renommierten Klinik. Sie musste hart kämpfen, um in der Welt der Männer anerkannt zu werden. Trotzdem wird sie bei Beförderungen immer übergangen. Während erneut ein Kollege bevorzugt wird, beginnt sie, ihr Leben und ihre Zukunft in München infrage zu stellen.
Als der Großvater stirbt, überzeugt sie ihre Mutter Johanna, zur Beerdigung in deren Südtiroler Heimatdorf zu fahren. Doch sie sind nicht willkommen und stoßen auf eine Mauer des Schweigens.
Paulas Suche nach ihren eigenen Wurzeln deckt ein streng gehütetes, düsteres Familiengeheimnis auf, das weit in die Vergangenheit reicht und ihre eigene Zukunft entscheidend zu verändern droht.
Paula lebt in einer Zeit, in der arbeitende Frauen selten sind. In den 60er Jahren waren Frauen für die Versorgung des Ehemanns, der Kinder und des Haushalts verantwortlich. Sie trugen schöne Kleider und Schuhe, das Haar war perfekt frisiert. Sie durften kein anderes Ziel haben, als an der Seite ihres Mannes zu glänzen. Eine alleinstehende Frau hatte es schwer, sie wurde bedauert, belächelt und nicht ernst genommen. Die Frauen waren unmündig, mussten klaglos ihr Schicksal annehmen. Doch Paula hat sich mit viel Beharrlichkeit, Zielstrebigkeit und Fleiß durchgesetzt, promoviert und wurde Ärztin.
Ihre Mutter Johanna wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach dem frühen Tod der Mutter musste sie mit nur 14 Jahren Verantwortung für die Familie übernehmen. In ihren Augen ein geduldig zu ertragendes Schicksal. Sie hat ihren Mann verlassen, ein Skandal und eine Schande für die Familie. Sie erwartet nichts mehr vom Leben, ist gefangen in einer konservativen, von Regeln strukturierten Welt. Über ihre Vergangenheit und ihre Familie in Südtirol schweigt sie beharrlich.
Die Zeit Mussolinis, der faschistischen Bewegung, der Aufstände und des Befreiungs- und Identitätskampfes von Südtirol wurde sehr gut beschrieben. Südtirol sucht die Unabhängigkeit, Autonomie und will sich wieder Österreich angliedern.
Besonders gut hat mir der flüssige Wechsel zwischen den 20er und 60er Jahren gefallen, die unterschiedlichen Zeitebenen gingen nahtlos ineinander über. Die Hintergründe waren sorgfältig ausgearbeitet und brachten mich Stück für Stück der Aufklärung des Familiengeheimnisses näher. Es war spannend bis zum unerwarteten Ende.
Trotz der Düsternis des Geschehens hat mich der Roman gefesselt und das Ende mehr als überrascht.
Ich kann den Roman nur empfehlen, er geht ans Herz, macht traurig, wütend, hinterlässt Unverständnis, spendet aber auch Hoffnung.