In kürzester Zeit hat sich der Chalice-Verlag mit seinen Publikationen von Texten Ibn Arabis zu einem Kompetenzzentrum für die deutschsprachige Rezeption dieses Mystikers entwickelt. Nur folgerichtig, dass auch die erste deutschsprachige Biografie - es handelt sich um die Übersetzung des von Stephen Hirtenstein 1999 vorgelegten Werks - in diesem Verlag erscheint. Das Buch ist, um es gleich vorweg zu sagen, für Kenner Ibn Arabis überaus bereichernd und als Einstieg für jene, die sich diesem herausragenden Geist nähern wollen, bestens geeignet.
Leben und Denken hängen bei diesem Mystiker ja aufs Innigste zusammen, und zwar derart eng, dass Ibn Arabi selbst unzählige autobiografische Anekdoten in sein Werk bewusst integriert hat. Sie sind Teil seiner Lehre. Geschickt lässt Hirtenstein die biografischen Kapitel im engeren Sinne - in denen auch der historische und geistesgeschichtliche Hintergrund beleuchtet wird - mit Kapiteln abwechseln, in denen grundsätzliche metaphysische Aspekte seines Denkens (z.B. »Von Liebe und Schönheit«) zur Sprache kommen. Es ist Hirtenstein zu danken, dass er sehr viele Originalzitate in den Text eingeflochten hat, um dem Leser den besonderen Geschmack (dhawq) von Ibn Arabis Denken unmittelbar nahe zu bringen.
Konsequent rückt dieses Buch die Universalität Ibn Arabis ins Blickfeld. Nicht nur hat er in einem äußerlichen Sinn den Westen (Andalusien) wie den Osten (Arabien) bereist. Er hat das jahrhundertealte Wissen der islamischen Mystik zusammengefasst und aus dieser Vogelsperspektive den beschränkten Horizont der Orthodoxie weit hinter sich gelassen.
Auch Ibn Arabis Leben kann als universell angesehen werden, wir erfahren ihn als mystischen Einsiedler und Asketen, aber auch als Liebenden, Familienvater und Ratgeber mächtiger Fürsten. Die Rolle der Frauen in Ibn Arabis Leben (bzw. die Rolle des Weiblichen in seinem Denken) freilich wird von Hirtenstein nicht ganz angemessen gewürdigt. Fatima bint Ibn al-Muthanna, die in seiner Jugend eine bedeutende Rolle als spirituelle Lehrerin gespielt haben muss, wird nur kurz erwähnt und die schöne Nizam, von der man sagt, sie hätte für Ibn Arabi dieselbe Bedeutung gehabt wie Beatrice für Dante, erscheint eher als Randfigur.
Das Buch ist liebevoll mit farbigen Landkarten und vielen Abbildungen von Originalschauplätzen ausgestattet. Das rührendste Foto findet sich am Schluss: Ibn Arabis schlichtes Grab in Damaskus, um das herum Kinder (die er sehr liebte) unbekümmert spielen.